Freitag, 21. Oktober 2011

Anorak und Hochkultur



Veronica Falls „Veronica Falls“ (Bella Union)
Hatte ich mich eigentlich hier schon über die Vorzüge der urbritischen Schrammelband Wedding Present ausgelassen? Ausgiebig? Viel zu oft? Kann gar nicht sein. Denn zum einen sind die Jungs um David Gedge auf rätselhafte Weise chronisch unterschätzt, zum anderen würde mir das den Einstieg vermasseln. Stellt man sich nämlich den Sound der Londoner Newcomer Veronica Falls wie eines dieser, vor allem bei Kindern sehr beliebten, Kaleidoskope vor und schaut hindurch, so entdeckt man ein so vielfältiges Spektrum an Vorbildern und Bezugsgrößen, dass der Platz für eine lückenlose Aufzählung hier knapp werden würde.

Neben der schon erwähnten Formation aus Leeds, denen man ohne weiteres die ersten drei Stücke und obendrein „The Box“ widmen könnte, zählen dazu in jedem Falle auch die Pixies – die Anleihen für „Stephen“ sind so frappierend, dass man sich fragt, ob da wohl Tantiemen geflossen sind. Desweiteren natürlich fraglos die fabelhaften Go-Betweens, The Mamas & Papas, die Vivian- und die Dum Dum Girls, Breeders, Figurines, Pains At Beeing Pure At Heart und wie sie alle heißen. Dass das vorliegende Debüt trotz aller offensichtlichen Parallelen und zwingenden Vergleiche trotzdem Spaß macht, liegt wohl an der Leichtigkeit, mit der den vieren ihre Arbeit von den Händen geht. Traumhafte Melodien, die einschmeichelnde Stimme von Roxanne Clifford, behutsame Variationen, die es dem Hörer nicht allzu schwer machen, die Musik schnell in’s Herz zu schließen. Außer den besonders verführerischen „Found Love In A Graveyard“, „Right Side Of My Brain“ und „The Fountain“, die sozusagen als „flotter Dreier“ die Essenz der Band darstellen, muss vor allem auf das angenehm schroffe „Beachy Head“ hingewiesen werden, das so schön scheppert wie nichts auf dieser Platte.

Im Guardian konnte man kürzlich lesen, dass Veronica Falls nicht nur eine weitere Twee-Band (von „twee: süß“) seien, sondern auch in der ehrwürdigen Tradition der sogenannten „Anorak“-Bands stehen sollen. Das hat, so die Autoren, weniger mit der frostigen Jahreszeit als vielmehr mit dem einfachen, unspektakulären und zweckmäßigen Charakter des Kleidungsstücks zu tun – wer also in einer solchen Gruppe spielt, muß nicht zwingend die Hochkultur im Sinn und ein Musikstudium in der Tasche haben. Diese Herangehensweise soll, so hört man, auf alle vier Musiker hier zutreffen. Dass man es dem Album trotzdem nicht anhört, kann vielleicht als größtes Kompliment unter vielen anderen gelten.
http://veronicafalls.com

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