Freitag, 10. Mai 2013

Begnadete Tragikomiker

Vampire Weekend
„Modern Vampires Of The City“

(XL Recordings)

Nichts für ungut, aber Vampire Weekend sind eine komische Band. Sie waren es, als sie 2006 mit ihrem Debüt den altbackenen Indierock in ein völlig neues Kostüm steckten – „Mansard Roof“, „A-Punk“, „Oxford Comma“, das war Paul Simon auf 45 RPM, Punk mit Funk, Spaß und Stil. Stil, jawohl, eigenartigem wohl gemerkt, schließlich sahen sie aus wie schnöselige rich kids mit ihren Button-Down-Hemden, Strickjacken und quietschbunten Sommershorts. Putziger Klassensprecherpop, aber eben auch verdammt catchy, wem das nicht in die Beine ging, der durfte sich schon einige Grobheiten anhören. Sie blieben komisch, als „Contra“ kam, zu den gewohnten Klängen kamen nun die klassischen, barocken hinzu, virtuos, verspielt, klug und keine Spur von lächerlich. Und immer noch Ezra Koenigs quengelige Stimme, die selbst die traurigsten Erfahrungen mit einer unverschämten Lässigkeit besingen konnte – „Cousins“, „Horchata“, „Giving Up The Gun“, wieder jede Menge Killer.

Wen überrascht es also, dass die New Yorker auch mit ihrem neuen, dritten Album eine komische Band geblieben sind, viel zu clever, als dass sie alles über den Haufen werfen würden, was bisher so gut geklappt hat, ehrgeizig genug, um ihrem Sound doch wieder ein paar neue und überraschende Facetten hinzuzufügen. Es gibt die Nummern mit unverwechselbaren Sound der ersten Tage  - „Unbelievers“, der vielleicht bestgelaunteste Song zum Fegefeuer überhaupt, der quirlig schräge Bigbeat von „Diane Young“, ein Stück, das sich die Fans der Automarke Saab wohl auf ewig zum Feind gemacht hat, „Finger Back“ dazu, nicht weniger skurril und flott, Teufelstänze allesamt. Auf der anderen Seite die entspannten Lieder, die so laid back, so einängig geraten, dass einem vor Bewunderung nicht selten der Mund offen stehen bleibt: Der Sonnenaufgang in „Obvious Bicycle“ zu metallisch klackenden Drums, das gewitzte „Step“ mit seinen verfremdeten Stimmen und honigsüßen Melodien – „…and punks who would laugh when they saw us together, well, they didn't know how to dress for the weather“, haha, und dann – ganz bitter – „Hannah Hunt“. Koenig trägt seine Liebe zu Grabe, doch selbst wenn er gegen Ende etwas wehleidig zetert („If I can't trust you then damn it Hannah, there's no future, there's no answer, though we live on the US dollar, you and me, we got our own sense of time“), selbst dann hat das noch Charme, bleibt er sympathisch.

Die richtig guten Nummern haben sich die vier für den Schluß aufgehoben, die also, die ihrem Sound wieder den speziellen Extradreh geben. „Worship You“ ist ein überhitzter Squaredance, nervöse Drums, Saxophon, Bonanza Baby! Die zwei Stücke danach sind mit „großartig“ noch zurückhaltend bezeichnet – „Ya Hey“ (ist das etwa Koenigs „Banana Boat Song“?), lautmalerisch, verquerer Text, das Piano auf Fuge komponiert und dazu diese dramatischen Chöre, unglaublich. Ebenso – „Hudson“. Auch hier eine ähnliche Dramatik, jetzt aber eher Morricone, Gewehrsalven, Marschmusik, staatstragende Historie – „All you who changed your stripes can wrap me in the flag“, man sollte es trotzdem nicht zu ernst nehmen. Diese drei letzten Stücke außen vor, haben Vampire Weekend so viel nicht verändert – ein anderes Licht, eine differente Stimmung, und dennoch ist das Album nicht kleiner als die vorangegangenen. Es bleibt ihr Geheimnis, wie sie zu all den fabelhaften Ideen kommen, wie sie ihrer Lebendigkeit und Freakness immer noch eins draufzusetzen vermögen. Wochenendvampire, die sie nun mal sind, werden sie schon ihre geschützten Quellen haben, um auch für die nächsten Jahre bei Kräften zu bleiben. www.vampireweekend.com

1 Kommentar:

M. Der Schreiberling hat gesagt…

Mensch, dass ich das noch erleben darf. Du lobst eine meiner Lieblingsbands. Und das mit einer coolen Sprachgewalt. Dein Text ist so groß wie das Album.