Donnerstag, 30. April 2015

Tocotronic: Süßer Ärger

Tocotronic
„Das rote Album“

(Vertigo/Universal)

Die Zeichen der Zeiten stehen auf Sturm, an allen Ecken der Welt, die bekanntlich eher ein globalisiertes Dorf ist, kracht und brennt es lichterloh und Tocotronic machen ein Album über die Liebe. Die Hamburger geben ja seit jeher gern die Antipoden – wenn alles in selbstzufriedenem Halbschlaf dahindämmert, hauen sie grimmig in die Saiten, ist es draußen laut und ungemütlich, proklamieren sie die Verinnerlichung, die Zärtlichkeit – und eben: die Liebe. So nah wie jetzt sind sie dabei dem Hörer allerdings selten gekommen. Und so entspannt. Auflehnung – und darum ging es ja irgendwie immer – war bei Tocotronic auch stets eine dunkle, schmerzvolle Angelegenheit, Kapitulation, Schall und Wahn, der Weg zur Erlösung führte regelmäßig durch verschattetes, dorniges Gestrüpp. Spätestens mit der aktuellen Platte hat sich das geändert, jetzt kommt die Erkenntnis, dass man seinen Hass auch tanzen kann, befreit von allen Selbstzwängen.

Das ist vielleicht nicht jedermanns Sache (das waren Tocotronic ohnehin nie), aber es gibt auf diesem Album, dem die vier bereitwillig ein „Konzept-“ voranstellen und das, wie schon oft vermerkt, erstmals ohne die gewohnten Slogans auskommt, eine Reihe wunderbarer Lieder und viele Gründe dazu, warum das so ist. So ist der Sound wieder ein sehr warmer, keineswegs überkomplexer geworden, Moses Schneider hat hier zusammen mit der Band erneut einen Wohlklang gezimmert, der Harmonien nicht scheut und Sperriges und Experimentelles auf ein Mindestmaß reduziert. Mal eine kernige Gitarre zum „Prolog“, ein bisschen Blues auf der „Jungfernfahrt“, sonst viel Akkustik, Streicher, Chöre, Bläser. Nicht selten muss man an The Smiths denken, auch wenn Dirk von Lowtzow von Morrisseys bissigem Zynismus weiter entfernt denn je ist. Es sind die Melodien und ein wenig auch die Leidenschaft bei Stücken wie „Rebel Boy“, „Chaos“ und „Sie irren“, die einen zurückdenken lassen, hinzu kommt, dass des Sängers Stimme mehr und mehr ausgeformt erscheint und zuweilen mit einer erstaunlichen Tiefe überrascht.

Auch den Umgang mit dem textlichen Überbau haben Tocotronic vereinfacht, vieles wirkt klarer, weniger verkopft und, wenn man das so platt sagen darf, etwas lebensnaher. Schon klar, an mancher Stelle klingt von Lowtzow wie ein sanftmütiger Bachblütentherapeut im Eisvogelfederkleid (der ein Date mit sich selbst hat), aber meistenteils wirken die Worte sehr fürsorglich, etwa wenn er über „Die Erwachsenen“ und deren schütteren Haare wie Hosen erzählt, die den Anschluss an die Welt verloren zu haben scheinen. Er wird wissen, dass er zu ihnen zählt, auch deshalb ist diese Zwischenperspektive amüsant und frei von jeder Peinlichkeit. Ein Kunststück, dass der Band auch bei ihrem Lob der „Solidarität“ gelingt. Wie sie jene, die sich im unverzagten (Stellvertreter-)Kampf mit der tumben Meute abarbeiten und verschleißen, die zwischen „Spießbürgern Spießruten“ laufen, ihrer Zuneigung versichern, das hat schon beachtliche Größe.

Auflehnung geht also auch mal ohne verkniffenes Gesicht, ja darf sogar Spaß machen. Man muss es halt können und hier treten Tocotronic dann gern auch mal einen Schritt beiseite und applaudieren: „Du bist zänkisch und suspekt, du bist ein toxisches Subjekt … doch du bist wenigstens nicht so wie die, dein süßer Ärger ist Energie. Du bist aus Zucker, du bist zart, du schmilzt dahin, du wirst nicht hart.“ Klingt ein wenig wie der Wunsch nach einer Metamorphose, nach mehr Gelassenheit. Andererseits ist dieses Album das beste Indiz dafür, dass Tocotronic diesen Weg schon lange eingeschlagen haben – vielleicht haben sie es nur noch nicht bemerkt: „Und während ich noch spreche, hat sich der Kopf davon gemacht … und während ich noch singe, hat sich ein Lied davon gemacht.“ http://www.tocotronic.de/

01.05.  Berlin, SO36
05.06.  Rock am Ring / Rock im Park
11.06.  Luzern, B-Sides-Festival
04.07.  Freiburg, ZMF
05.07.  Konstanz, Zeltfestival
16.07.  Cuxhaven, Deichbrand-Festival
17.07.  Gräfenhainichen, Melt-Festival
... weitere Termine

Shura: Die Qual der Wahl

Für Renommee spricht sicher beides, die Frage ist dann nur noch, was einem besser gefällt: Aleksandra Denton aka. Shura hatte kürzlich mit "2Shy" einen veritablen Hit - diesen haben nun zum einen Mumford And Sons gecovert und Warpaint neu abgemischt. Wir behaupten mal, die Wahl sollte nicht so schwerfallen.

Mittwoch, 29. April 2015

Django Django: Lockerungsübungen

Django Django
„Born Under Saturn“

(Because/Warner)

Es bleibt dabei: London ist in Sachen Tanzmusik unterschiedlichster Coleur noch immer die erste Adresse – Hot Chip, Zoot Woman, Factory Floor, Jungle, alles Namen mit einem Nachhall im Namen. Spätestens seit dem Jahr 2012 gehören unbedingt auch Django Django in diese Reihe, bereits mit ihrem feinen Debüt durften sich die vier bei der Vergabe des Mercury-Prizes mit Größen wie Jessie Ware (London) und The Maccabees (äh, London) messen – gewonnen hat das Städteduell dann Leeds mit Alt-J. Nun also Album Nummer zwei. „Born Under Saturn“ ist ein federndes, gutgelauntes Stück Elektrofolk geworden, alles wippt und pocht und pumpt recht zauberhaft und immer wenn man meint, jetzt reiche es einem langsam mit dieser Art von entspannten Lockerungsübungen, haben sie einen mit diesem oder jenen Kniff doch wieder am Haken. Ob es nun das gekonnte Zusammenspiel von fein verbastelten Synthspuren und treibenden Beats ist, eine Prise House mitsamt wunderbarem Sax-Solo für „Reflections“, der bluesige Stomp von „Shake And Tremble“ oder die sparsamen Gitarren- und Orgeleinschübe für „Found You“ – es fällt ihnen eigentlich immer etwas ein. Genug Ideen also, um sich erfolgreich in Erinnerung zu bringen – ob’s für die Shortlist oder mehr reicht, wird sich im Laufe des Jahres zeigen. http://www.djangodjango.co.uk/


Alabama Shakes: Lost in space

Gestern erst Jamie xx, heute ziehen die Alabama Shakes in Sachen spaciger Optik nach: Das Rockquartett, gerade erst mit einer fabelhaften neuen Platte die Herzen aller im Sturm genommen, legt mit einem Video zum Titelsong "Sound And Color" nach - Regie führte James Frost, ein Name also, der Fans von Radiohead, Nora Jones, Interpol und den White Stripes schon ein Begriff sein dürfte.


Sleaford Mods: Alles muss raus

Sleaford Mods
Support: Night Shirts
Feierwerk, München, 28. April 2015

Es ist dann tatsächlich kein Hipster zu sehen gewesen (waren wohl bei Tocotronic), auch wenn zuvor noch einmal auf eine größere Location umgebucht wurde. Aber neben Schmocks, Spießern, Yuppies und Nerds zählen Hipster eben zur meistgehassten Sorte Mensch bei den Sleaford Mods aus Nottingham, ihnen gilt ihre ganze und ausdrückliche Verachtung und auch selbstbewusste Exemplare dieser Gattung werden wenig Lust darauf verspüren, für zwei Stunden auf das Übelste beschimpft zu werden. Und so versammelte sich eine erstaunlich inhomogene Schar gehobenen Alters vor der Bühne, um sich die derzeit interessanteste Band von der Insel aus der Nähe anzuschauen. Nun klingen ja die Platten der beiden ‚rude boys“ schon verteufelt gut und frisch, live kommt diese Mischung aus stakkatoartigen Raptiraden und scheppernden Elektrobeats noch aggressiver, noch energischer rüber. Dabei ist die Arbeit während der Aufführung etwas ungleich verteilt: Während sich der Job von Soundfrickler Andrew Fearn darin erschöpft, die Tracks vom Notebook abzurufen und seinem Kollegen ansonsten, die Bierflasche in der Hand, einfach (und wortwörtlich) beizustehen, leistet Jason Williamson Erstaunliches. Als extrem hochgepitchte Rhythmusmaschine spuckt, zischt, bellt und schreit er mit präzisem Timing eine wütende Suada nach der anderen ins Publikum, die Halsschlagader wölbt sich unter dem verzerrten Gesicht – alles muss raus! Einem Überdruckkessel gleich ist er unentwegt damit beschäftigt, seinen giftigen, ätzenden Dampf abzulassen, ganz selten einmal läßt er sich dafür zu einer Art schrägen Gesangs hinreißen. In den Liedpausen stolziert Williamson dann höchst amüsiert und unter dem Johlen des Publikums als stolzer Gockel um’s Mikrophon – der Mann ist einfach eine Schau. Nach anderthalbstündiger Dauerattacke auf alles Unliebsame, Eitle, Aufgeblasene und Zeitgemäße (in Amerika würde man diese Konzerte wahrscheinlich mit einem einzigen, anhaltenden Piepton versehen müssen), ist aber selbst für ihn Schluss mit Bissig – Abgang mit Applaus. Und der Bayern-Fan nebendran musste eingestehen, dass er mit den Sleaford Mods den deutlich besseren Teil dieses Abends erwischt hatte.

29.04.  Salzburg, Rockhouse
19.06.  Berlin, SO36
20.06.  Leipzig, Werk 2
22.06.  Bremen, Kulturzentrum Lagerhaus
23.06.  Münster, Gleis 22
04.11.  Düsseldorf, ZAKK
05.11.  Berlin, Astra Kulturhaus

Dienstag, 28. April 2015

Ceremony: Tatsache

Und da ist auch schon die zweite Kostprobe von "The L-Shaped Man", dem nächsten Album der Kalifornier Ceremony. Es war ja nach der ersten ("The Separation And The Understanding") schon zu hören, dass die ehemals auf Hardcore gebürstete Kapelle einen Stilwechsel vollzogen hat - auch der neue Song "Your Life In France" legt diesen Schluss nahe und macht dabei gar keine so schlechte Figur.


Hot Chip: Macht Sinn

Sollte noch jemand auf einen neuen Track vom zukünftigen Album "Why Make Sense?" von Hot Chip warten, dann helfen wir gern weiter - "Burning Up" ist nach "Huarache Lights" und "Need You Now" Titel Nummer drei, den Rest gibt es dann am 15. Mai beim Dealer des Vertrauens.


Hot Chip - Burning Up (Lyric Video) von GAS2014

Jamie xx: Spacenight

Viel anders sah der letzte Post zu Jamie xx auch nicht aus, aber zum einen ist das Cover seines kommenden Albums viel zu schön, um es nicht noch einmal herzuzeigen, zum anderen tauschen wir an dieser Stelle nur mal schnell den aktuellen Videoclip zu "Gosh" von Eric Wernquist gegen den von "Loud Places" und verweisen schnell noch auf zwei Livekonzerte für dieses Jahr.

19.10.  Köln, Gloria
24.10.  Hamburg, Uebel und Gefährlich

Montag, 27. April 2015

Wanda: "Eins, zwei, drei, vier ..."

Wanda
Support: Monsterheart
Backstage, München, 26. April 2015

Wer sich Wanda aus Wien in beschaulicher Clubatmosphäre anschauen möchte, kommt zumindest in München ein knappes Jahr zu spät – zu gut/geil/leiwand (you name it) war ihr Debüt „Amore“ aus dem letzten Herbst, als dass man sich lange mit dem Status eines Geheimtipps aufhalten musste. Insofern wäre man nicht verwundert gewesen, wenn die endlose Schlange vor dem seit Wochen ausverkauften Backstage (Dimension #suedfruechte #ddr) ausschließlich aus kartenlosen Nachzüglern bestanden hätte. War nicht so, ging nur langsam. Drinnen dann Stimmung wie in einer quietschfidelen Großraumsauna kurz vor dem dritten Aufguss, erwartungsfrohe Bestlaune, die auch der überdrehte Berliner Support („Es war mir ein Fest“!?!) nicht trüben konnte.

Wanda selbst: Die Fluppen im Mundwinkel, Dauergrinsen, alle fünf von einer ungestümen Lässigkeit, die jeden Nicht-Wiener irre neidisch machen kann – drei Akkorde und die Halle gehörte ihnen. Man möchte es ja nicht gleich wieder ein Phänomen nennen, aber dieser charmant angeprollte Stadionrock hat auf den ersten Blick eigentlich gar nichts Besonderes. Thematisch dreht sich’s – ganz die morbide Wiener Schule – hauptsächlich um’s Saufen, Verlieben, Verlassen, wieder Saufen, trotzdem Klarkommen, noch mehr Saufen und nebenher wäre es ganz hilfreich, wenn sich endlich einmal jemand fände, der der Mutter den verdammten Schädel einschlagen würde. Frohsinn geht anders. Aber wie Sänger Marco in seinem schäbigen Lederfetzen den sympathischen Poser gibt (Mick, Jim oder Freddie, wer auch immer), zwischendrin wahlweise umfällt oder gleich in’s Publikum springt, wie Christian Hummer sein Keyboard und Manuel Poppe die Gitarre malträtiert – da wird einem das Herz richtig weit von, da grölt man erst und merkt es später.

„1, 2, 3, 4 – es ist so schön bei dir“, Vorstadt-Rock’n Roll kann so einfach sein. „Bologna“, „Kairo Downtown“, „Schick mir die Post“ – alles Selbstläufer, wer da unten in der Arena Aufstellung genommen hatte, brauchte gute Puste und ohne ein paar blaue Flecken war wohl auch kein Rauskommen. Der wilde Jam von „Ich will Schnaps“ schepperte und jaulte zum Gotterbarmen, man litt mit und hatte doch Spaß dabei. Dass am Ende die „Jelinek“ gegen eine doppelte „Luzia“ nicht anstinken konnte, müssen die Burschen unter sich ausmachen, sie werden dieses Problem ohnehin nicht mehr lange haben, die neue Platte ist für Oktober in Planung. Ob sie so gut wie die erste wird, wissen Wanda zwar noch nicht, aber eines ist gewiss: Sie wird sich entschieden besser verkaufen. Und im Dezember sind sie dann auch schon wieder da zur nächsten Feier.

09.12.  München, Muffathalle

Sonntag, 26. April 2015

Emile Haynie: Nur Mut

Emile Haynie
„We Fall“

(Universal)

Emile Haynie ist ein bekannter Produzent. Und er hat viele Freunde. Irgendwann hat er wohl für sich entschieden, dass es reizvoller wäre, für diese Freunde nicht nur im Hintergrund die Regler zu bedienen, um dann seinen Namen unter die Linernotes zu setzen – besser wäre es doch, er selbst schriebe die Songs und ließe die anderen singen. Hört man sich das Debütalbum des Mannes aus dem nordamerikanischen Städtchen Buffalo an, dann darf man zunächst einmal anerkennen, dass die Idee keine schlechte war. Haynie hat sich seinen Namen ja eigentlich in der HipHop-Community gemacht und schon mit Größen wie Ghostface Killah, Eminem, Raekwon, Kanye West und Ice Cube zusammengearbeitet, für „We Fall“ geht er nun aber einen anderen Weg und versucht, sich mit den Kompositionen eher dem vertrauten Repertoire seines Freundeskreises zu nähern. Und genau darin liegt leider auch die Krux des Albums.

Denn von jedem der angetretenen Gaststars, seien es nun Rufus Wainwright, Lykke Li, Lana del Rey oder auch Randy Newman, gibt es eine Menge Songs gleichen Zuschnitts, die man von ihren eigenen Platten kennt und liebt – für und von Emile Haynie kommt dann aber nur Erwartbares in Fortsetzung, oppulent in Szene gesetzt. Natürlich sind es allesamt hübsche Arrangements, hat „Little Ballerina“ den poppig-pathetischen Schmelz, „Wait For Life“ die ätherische Verruchtheit und „Come Find Me“ die dunkel umflohrte Kühle seiner Protagonisten. Wieviel spannender aber wäre es gewesen, Wainwright, del Rey oder Lykke Li mal auf ungewohntes Terrain zu locken, ihnen etwas zuzumuten, was sie vielleicht an ihre Grenzen führt und dem Hörer ein neues Bild erschließen könnte. Bei „A Kiss Goodbye“ gelingt ihm das zusammen mit Charlotte Gainsbourg, Sampha und Devonte Hynes ja schon ganz ordentlich, hier erschafft Haynie mal eine weniger überladene Klangkulisse zu reduzierten, trippigen Tönen – leider bleibt eine solche Überraschung die Ausnahme. Er wird in den kommenden Wochen und Monaten dennoch in aller Munde sein, schließlich müht sich der Mann gerade am dritten Album von Adele – für die Fortsetzung seiner Solokarriere möchte man ihm aber dringend zu etwas mehr Mut raten. http://www.we-fall.com/

Freitag, 24. April 2015

Flake: Frei Schnauze

Flake
"Der Tastenficker"

(Schwarzkopf und Schwarzkopf)
München, Hugendubel, 23.04.2015

In der beliebten Rubrik „Very important things we learned about…“ wollen wir heute mal über Buchlesungen reden – aus aktuellem Anlass, versteht sich.

Wenn man auf eine bestimmte Art prominent ist – also zum Beispiel als Keyboarder des bekanntesten deutschen Rockexports Rammstein, kann man eigentlich über alles schreiben und das dann auch bedenkenlos vorlesen, es werden sich immer genügend Leute finden, die einem an den Lippen hängen und aufmerksam alle biographischen Details aufsaugen, die Kindheit und Jugend im Arbeiter- und Bauernstaat DDR so hergeben*.

Wenn man dazu noch ohne jede Selbstüberschätzung durchs Leben kommt und mit Lakonie, feinsinnigem Humor, genügend Marotten und im allerbesten Fall noch einer typischen Berliner Schnauze gesegnet ist, dann klingen die einfachsten Sätze entweder rührend ehrlich oder irre komisch – Beispiel: „Mein Problem ist, dass ich ganz schwer nein sagen kann. Bei der Stasi war ich aber nicht, da haben sie mich zum Glück nicht gefragt.“

Ebenfalls sehr hilfreich ist ein Talent zur freien Rede. So kann man zum Beispiel auf sehr launige Art eine Konzertreise als Toursupport von KISS ins brasilianische Outback beschreiben, ernsthafte und andauernde Probleme des eigenen Verdauungstraktes bildhaft schildern und der Enttäuschung über die Hinfälligkeit von einstmals glorifizierten Vorbildern Ausdruck verleihen, ohne ständig auf ein verknautschtes Manuskript starren oder – im schlimmsten Falle – einen Polylux benutzen zu müssen.

Es gibt tatsächlich nicht wenige Menschen, die im kompletten Fan- oder Touroutfit auf Buchlesungen erscheinen, auch wenn weder ein musikalischer Beitrag oder eine Moshpit vorgesehen sind und der Front- Of-Stage-Bereich aus säuberlich ausgerichteten Stuhlreihen besteht. Kann man sich merken.

Man sollte auch keine Angst davor haben, ungewöhnliche Themen und Randbereiche einer genaueren Beschreibung zu unterziehen (siehe 1), denn nur so lassen sich Geduld und Zuneigung des Publikums einschätzen. Wenn die besagten Stuhlreihen bei der ausführlichen Erörterung des Berufsbildes eines angehenden Werkzeugmachers inklusive penibler Angaben zu Bohrlängen, Gewindedurchmessern und statischen Testberichten bis auf den letzten Platz gefüllt bleiben, dann darf man sich seines Potentials als Entertainer doch sehr sicher sein.

Schonungslose Offenheit bis hin zur Selbstgeißelung wird einem in der Regel hoch angerechnet, also nicht nur aufzuzählen, was man kann (herumhampeln), sondern auch, wozu einem jegliche Begabung fehlt (Rhythmus halten, halbwegs fehlerfrei mit Instrumenten zu musizieren, singen). Das gilt im Übrigen (weil man ja gerade aus einem selbstverfassten Buch zitiert) desgleichen für‘s eigene literarische Talent im Bezug auf weitere mögliche Großprojekte – die grobe Skizzierung eines verworfenen Romanplots kann hier für zustimmendes Schulterklopfen und sogar Mitleid sorgen.

Von einer Überdramatisierung des Aufwachsens im Schurken- und Unrechtsstaat DDR sollte man tunlichst absehen, zum einen stehen angeborene Kurzsichtigkeit und weitere frühkindliche körperliche Beschränkungen nicht in ursächlich nachgewiesenem Zusammenhang zur schändlichen Arbeit des Politbüros, desweiteren würde das anwesende, überwiegend im Osten Deutschlands sozialisierte Publikum jede Abweichung von der wohlwollenden Nacherzählung in Anekdotenform als Kritik missverstehen – hier reicht also, wie sinngemäß gehört, der Satz „Ich verbrachte eine ausgefüllte und freudvolle Kindheit“ vollkommen aus.

Wichtig für die positive Bewertung des Leseabends ist das Timing des Abgangs, in Aussicht gestellte Zugaben und/oder zögerliche Aufforderungen ans Publikum, jetzt Fragen zum Gehörten zu stellen, sind da eher hinderlich, im speziellen Falle sähe man sich sonst mit Erkundigungen wie „Welche Marke an Schlauchbooten bevorzugen Sie?“, „Sind Sie über den aktuellen Beziehungsstand von Till Lindemann informiert?“ und „Wie sicher sind Sie, dass Ihr Herz wirklich am linken Fleck sitzt?“ konfrontiert. Fremdschamvermeidung darf hier als guter Dienst an der Sache verstanden wissen. Also: Tour im nächsten Jahr sicher, aber weniger Pyro, Autogrammstunde für Horst und Holger im Anschluss – Punkt.

* Wer jemals einer Live-Aufführung von Flakes früherer Band, der Magdalene Keibel Kombo, beigewohnt und dort das Stück „Graf Zahl“ bis zum Ende durchgestanden hat, der weiß, dass der Satz „Der Mann könnte auf der Bühne ohne Weiteres auch das Telefonbuch vorlesen“ genau da seine Schöpfung erfahren haben muss.

Dagobert: Vollkommenes Glück

Am nächsten Montag startet der nach Kurt Felix und Dieter Meier populärste Schweizer endlich seine Konzertreise: Dagobert soll dort sein Album "Afrika" vorstellen und es braucht nicht viel Fantasie zur Vermutung, dass es den Menschen vor Ort gefallen wird. Kurz vor knapp hat er dennoch ein weiteres Video fertigstellt, produziert wurde "Angeln gehen" von Henning Gronkowski und mal ganz ehrlich - angelnde Schweizer Schnulzensänger sind genau das, was es zum vollkommenen Glück der Welt noch braucht.

Tocotronic: Babysprache

Wir waren alle einmal jung, das steht mal fest (auch wenn es durchaus Menschen gibt, bei denen man meint, sie wären mit vierzig auf die Welt gekommen). Gerade Tocotronic spüren wiederum seit jeher Themen nach, die einen nicht sofort wegen ihrer vermeintlichen Wichtigkeit anschreien - für "Die Erwachsenen" von ihrem sehnsüchtig erwarteten Roten Album (VÖ 1. Mai) haben sie mal eine Ausnahme gemacht. Aber natürlich besingen sie den Konflikt der Generationen auf ihre ganz spezielle Weise und nun gibt es dazu auch ein kleines Videofilmchen.

The Chemical Brothers: With a little help

Neues Material von den Chemical Brothers ist auf dem Weg - das ist keine so schlechte Nachricht, wenn man weiß, dass das letzte reguläre Studioalbum von Tom Rowlands und Ed Simons ("Further") auch schon wieder fünf Jahre auf dem Buckel hat. "Born In The Echoes" soll Mitte Juli erscheinen und mit St. Vincent, Beck, Q-Tip und Cate le Bon steht auch schon eine honorige Gästeliste bereit. Der erste Song der Platte "Sometimes I Feel So Deserted" lief gerade bei Annie Mac auf BBC Radio 1, das Tracklisting steht u.a. bei Pitchfork zur Einsicht.

Donnerstag, 23. April 2015

Blur: Alles drin

Blur
„The Magic Whip“

(Parlophone)

Man kann sich dem neuen Album von Blur ja auf verschiedene Weise nähern: Holt man weit aus, gerät man mittenrein in die Zeit der Glaubenskriege, des Entweder-Oder, der Britpop-Battles – Anfang der Neunziger musste man sich entscheiden, da hieß es Oasis vs. Blur, dicke Lippe gegen smarte Lässigkeit. Ein paar tolle Platten später war Britpop durch, die Gallaghers machten nun in Stadionrock/Sparte: überflüssig und Blur verkopften zusehends in Abwesenheit ihres Gitarristen Graham Coxon. Stand heute sind zwar auch Oasis perdu, das Brüderpaar allerdings, dessen Elan sich bis zum Splitt einzig in wilden Beschimpfungen erschöpfte, brilliert mit neuem Schwung auf Solopfaden und auch Damon Albarn, dem Vielbeschäftigten, ist 2014 ein wirklich erstklassiger Alleingang („Everyday Robots“) gelungen. Die Frage muss also, zwölf Jahre nach dem mäßig erfolgreichen „Think Tank“ und mit einem versöhnten Coxon an Bord, lauten: Was ist drin und wenn ja wieviel?

Nun – von allem etwas und das zu gleichen Teilen. Erfreulich: Es gibt eine ganze Reihe Songs auf „The Magic Whip“, die mühelos an die glorreichen Zeiten der Band anknüpfen können, Stücke also wie „Lonesome Streets“, „Go Out“ und „Ghost Ship“ mit der vertrauten, coolen Verschlurftheit – da scheppern hübsch verzwirbelte Gitarrenhooks zu clever variierten Drumsections, die Elektronik ist nicht übertrieben experimentell, sondern wohl dosiert. Dazu hört man aber auch jede Menge dieser weltgewandten ‚Albarn-Momente‘, die immer ein wenig an Coppolas‘ „Lost In Translation“ erinnern – einsame Selbstreflexionen mit einem Übermaß an Melancholie. „New World Towers“, „Thought I Was A Spaceman“ oder auch „My Terracotta Heart“, schon die Titel allein sind Wegweiser zum Albarn’schen Gedankenkosmos zwischen trauriger Weltverlorenheit und anhaltender, kindlicher Begeisterung.

Dazwischen finden sich ein paar Nummern, die sich einer Schublade eher verweigern, der verspielte „Ice Cream Man“ gehört ebenso dazu wie die punkige Clash-Referenz „I Broadcast“. Bei „Ong Ong“ und „Pyongyang“ wird man kurz daran erinnert, dass die Kunst des Weglassens auch keine kleine ist, geschenkt – warum nicht auch mal den dargebotenen Longdrink samt Sonnenschirmchen nehmen, wenn er denn so verführerisch in der Abendsonne glitzert. Die Gesamtleistung des Quartetts wird dadurch jedenfalls nicht geschmälert, sie haben es tatsächlich geschafft, auf „The Magic Whip“ (wie man platterweise gern sagt) Tradition und Moderne zu verbinden und das Ergebnis klingt beileibe nicht so, als würden ein paar Berufsjugendliche auf dem letzten Retroloch pfeifen. Man darf also gespannt sein, ob auch Mogwai wieder ein passendes Shirt zum Comeback am Start haben … http://www.blur.co.uk/de

Die Sterne: Picknicker

Ein klein wenig schien es schon vergessen zu sein, dabei war "Flucht in die Flucht" ein wirklich feines Album und Frank Spilker und Die Sterne noch immer am Drücker. Nun sitzt er für das Video von "Drei Akkorde" gemütlich klampfend mit versammelter Mannschaft beim Picknick im Park und läßt das Unterhaltungsprogramm von Regisseur Robin Hinsch geduldig an sich vorüberziehen.

Mittwoch, 22. April 2015

Martin Gore: Wesentliches

Martin Gore
„MG“
(Mute)

In den Moment, wo man’s hinschreibt, wirkt es fast ein wenig anmaßend – und doch entspricht es den Tatsachen: Martin L. Gore hat gerade mit über fünfzig sein Solodebüt veröffentlicht. Zugegeben, ganze 35 Jahre hat er maßgeblich den Erfolg von Depeche Mode gelenkt und mitgestaltet, zwei EPs mit gecoverten Songs (Counterfeit/Counterfeit²) gehören ebenso zu seinem Output wie ein gemeinsames Album mit dem Ex-Kollegen Vince Clarke (VCMG) und diverse Kooperationen und Gastauftritte. Aber eigene Songs eben, auf Longplayerformat? Premiere. Möchte man gar nicht glauben, andererseits ist ja auch nichts Ehrenrühriges daran, sich nach so langer Zeit der Zuarbeit und der Kompromisse mal zur Abwechslung um’s eigene Ego zu kümmern. Konsequenterweise tut Gore das in instrumentaler Form. Ein jeder weiß, dass seine Stimme markant genug ist, um einem Stadionpublikum Schauer über den Rücken zu schicken, dennoch: Einmal mehr geht es Gore wie schon bei der Kollaboration mit Clarke um das Wesentliche, um musikalische Texturen, Strukturen, um die Faszination des Zusammenspiels von so simplen Komponenten wie Beat, Geräusch und Melodie.

Sechzehn minimalistische Kompositionen also, einige davon schon während der Arbeiten am letzten Depeche-Mode-Album „Delta Machine“ entstanden (und für Gore zu wertvoll, um sie einfach verschwinden zu lassen), versehen mit kryptischen, futuristischen Titeln wie „Elk“, „Spiral“, „Brink“ oder „Featherlight“. Sie Fingerübungen zu nennen wäre wohl unzureichend, besitzen sie doch genügend Tiefe, Vielfalt und vor allem die Fähigkeit, die eigene Fantasie anzuregen, so dass sie es mühelos mit klassischen Songs aufnehmen könnten. Gore selbst betont gern den filmischen Aspekt seiner Arbeiten und tatsächlich entwickeln sie sich, gönnt man ihnen die nötige Zeit, zu einer Art Soundtrack für’s private Kopfkino. Und so bewusst, wie er auf jedweden Vokalpart verzichtet, bleibt sein Ansatz ein strikt synthetischer – für all jene, welche den Einsatz von Bluesgitarren bei Depeche Mode als Irrweg zu verdammen nicht müde werden, sollte ein rein technoides Album wie dieses grenzenlosen Jubel auslösen. Am Ende bleibt es aber ein Liebhaberstück für wenige, dem der Weg ins Formatradio erspart bleiben wird. Und das ist schon wieder eine gute Nachricht. http://www.martingore.com/

Violent Femmes: Glückliche Liebe für schnelle Pferde

Zeit, sich noch einmal zu sammeln und den Record Store Day Revue passieren zu lassen. Und da fällt auf, dass ja die Violent Femmes mit ihrer EP "Happy New Year" im Vorfeld zwar schon Thema waren, aber die Auflösung des Komplettpaketes noch aussteht. Hier also alle vier Songs der 12" im Stream, als da wären "Happy New Year Next Year", "Love Love Love Love Love", "Good At/For Nothin" und "Fast Horses".

Dienstag, 21. April 2015

PINS: Girls a Go Go

Ja, das gefällt uns: Faith Holgate, Lois McDonald, Anna Donigan und Lara Williams - vier Teenager aus Manchester, die unter dem Namen PINS in ihrer Freizeit offensichtlich nicht nur Bierdosen zerbeissen, sondern auch fleißig Musik hören, zum Beispiel die von den Go-Go's und Belinda Carlisle. So nämlich klingt ihr Song "Young Girls", der wiederum vom bald erscheinenden Album "Wild Nights" stammt. 

Rocko Schamoni: Good Vibrations

Man möchte es kaum glauben, aber der ebenso bekannte wie berüchtigte Rocko Schamoni will es tatsächlich wissen und gibt auf seinem neuen Album den gewinnenden Swinger: Zusammen mit seiner Neugründung, dem Orchester Mirage, präsentiert er via Staatsakt dreizehn Perlen der deutschsprachigen Popmusik (von denen zwei ihm selbst zuzuschreiben sind), mit die Lassie Singers, FSK und Saal 2. Das alles mit Bigband (und wenn Schamoni "Big" sagt, dann meint er das auch) und ganz, ganz viel professioneller Lässigkeit. Die erste Auskopplung "Die Geheime Weltregierung" kommt von GUZ, dem Sänger der Schweizer Kombo Die Aeronauten - die komplette Platte "Die Vergessenen" soll am 22. Mai im Handel erhältlich sein und natürlich wird Schamoni mit selbiger auch ausgiebig touren - erste Termine wie folgt...

19.05.  Hamburg, Thalia Theater
16.06.  Frankfurt, Mousonturm
18.06.  Berlin, Heimathafen
15.09.  Hannover, Pavillon
17.09.  Köln, Gloria
18.09.  Düsseldorf, Zakk
tbc...

Montag, 20. April 2015

Wire: Die neue Lust

Wire
„Wire“

(Pink Flag/Cargo)

Man hätte es sich wirklich denken können: Alle drei Alben, die Wire nach längerer Unterbrechung ihrer Zusammenarbeit seit dem Jahr 2008 eingespielt haben, sind als Querschnitte der früheren Schaffensperioden angelegt, jedes spiegelt auf seine spezielle Art die Entwicklung der Band vom minimalistischen Punkrock der Pink-Flag-Ära über elektronischen Wave bis hin zum retrospektiven Post-Punk wieder. Warum sollte, was da so gut funktioniert hat, beim neusten Werk also anders sein? Und so sind alle Befürchtungen, diese Platte könnte zur Abwechslung  mal eine zahme, aufpolierte, schlimmstenfalls ‚altersgerechte‘ werden, völlig unnötig. Denn obgleich „Wire“ ungewohnt poppig und ruhig beginnt, schleichen sich doch nach und nach immer dunklere Töne ins Programm. Das erste Langformat „Sleep-Walking“ ist zwar von der Wut der Anfangstage noch weit entfernt, trägt aber schon ein düsteres, unheilschwangeres Halo im Gepäck. „Split Ends“ und „Octopus“ können mit höherem Tempo und raueren Gitarren aufwarten, die Überraschung ist aber das abschließende „Harpooned“: Hier lassen Wire eine ganz neue Seite erkennen, nämlich die Lust am gewaltig dröhnenden, schwermütigen Noise. Acht lange Minuten bauen sie lautstark an ihrer Wall Of Sound, ganz im Stile von Postrockgrößen wie Mogwai oder Volcano Choir haben sie Gefallen am Drama gefunden und selbst die sonst so warme und sanfte Stimme von Colin Newman wird vom Haken gelassen. Es bleibt also dabei: Für’s Altenteil sind diese Männer noch längst nicht gemacht und auf ein akkustisches Spätwerk wird man gottlob noch weiter warten müssen. Solange es ihnen derart geschmacksicher gelingt, die eigene Tradition lebendig zu halten und sich Neuem nicht zu verschließen, muss einem um diese Band nicht bange sein. http://www.pinkflag.com/

Unknown Mortal Orchestra: Phonechecker

Lust auf etwas smarten Retro-Funk? Dann mal schnell den neuesten Song des Unknown Mortal Orchestra eingestöpselt, ein bisschen Platz zum Tanzen geschafft und ab geht die Post: "Can't Keep Checking My Phone" stammt vom Mitte Mai erscheinenden dritten Album "Multi-Love", dem Nachfolger von "II" aus dem Jahr 2013 - wer an den geschmeidigen Tönen Gefallen gefunden hat, kann sich übrigens auf ein paar Konzerttermine des Trios freuen.

26.05.  Berlin, Berghain
14.09.  Hamburg, Uebel udnd Gefährlich
15.09.  Köln, Gebäude 9
16.09.  Frankfurt, Zoom
17.09.  Berlin, Lido

Sonntag, 19. April 2015

Alabama Shakes: Express yourself

Alabama Shakes
„Sound And Color“

(Beggars Group)

Sie haben es also wieder geschafft: Die Alabama Shakes sind eine Band, für deren Sound Attribute wie „organisch“ und „analog“ erfunden wurden, hier brummen die Röhren, schnalzen die Relais, sind Rückkopplungen, Verzerrungen und Grundrauschen willkommene Klangkomponenten, die anderswo eifrig weggebügelt werden. Eigentlich müsste es jedem die Schamesröte ins Gesicht treiben, der sich hier mit dem bloßen Download zufrieden gibt, denn wenn es je eines Argumentes für das gute alte Vinyl bedurft hätte, dann ist es eine Platte wie diese. Eleganz, Perfektion und Brillanz sind keine Argumente, mit denen man den Vieren aus Athens kommen muss, auch „Sound And Color“ knirscht, quietscht, kracht und pfeift an jeder Ecke und mutet so wie ein großer Dampfkessel an, der den Überdruck nur mühsam unterm Deckel halten kann. Drunter brodelt eine ziemlich explosive Mischung aus Rootsrock, elektrischem Blues, Funk und Soul, ein Dutzend Songs zwischen Grenzbereichen und der Zuhörer muss sich nicht schämen, dem Ganzen mit verdrehten Augen, aufgerissenem Mund und abgespreizten Fingern zu folgen – der Sound zwingt zu expressiven Bewegungen, Stillehalten gänzlich unmöglich.

Ganz erstaunlich, was der gerade mal knapp dreißigjährige Gitarrist und Produzent Blake Mills den Alabama Shakes noch an Reserven entlocken konnte: Schon „Don’t Wanna Fight“ pumpt spannungsgeladen und dabei durchaus sehr jetztzeitig, „Gimme All Your Love“ gibt anschließend den abgedrehten, leidenschaftlichen Percy Sledge in einer Art ‚weird version‘, zunächst als roughen R’n’B, später mit Beat und ganz viel Schmackes. Brittany Howards Stimme wandert stets am oberen oder unteren Limit, unterstützt von einer kraftvollen Backgroundgruppe, ein bisschen Prince, ein bisschen Outkast, immer am Anschlag. Später dann erstklassig wippender Motown-Soul („Guess Who“) und punkiger Garage-Rock („The Greatest“), die 60er und die 70er werden zu gleichen Teilen beliehen und auch das wütende Klagen von „Miss You“ und die Morricone-Gitarren bei „Gemini“ hat man natürlich irgendwo schon mal gehört. Sie machen vieles und was sie machen, machen sie (gewohnt) gut. Nenn es Super-Retro, letztendlich ist der Name völlig egal, solange es ihnen und uns solch einen Spaß macht. http://www.alabamashakes.com

03.05.  Berlin, Astra Kulturhaus

Der komplette Stream des Albums steht momentan bei NPR bereit.

Future Islands: Auf der Jagd

Nicht weniger beachtenswert - auch die Future Islands haben endlich mal wieder etwas von sich hören lassen, nachdem ihr Album "Singles" inklusive der landauf landab beeindruckenden Live-Performances für mächtig viel Zuneigung gesorgt hatten. Ebenfalls im Rahmen des RSD erschienen ist ihr Song "The Chase", zuerst zu hören Mary Anne Hobbs auf BBC Radio 6, später auch auf anderen Kanälen.

Run The Jewels: Giveaway

Einer der vielen Höhepunkte des gestrigen Record Store Day: Run The Jewels haben eine 12" gelauncht, auf der sich neben drei älteren Stücken auch ein neues befindet - "Bust No Moves" wurde mit Bryan "SL" Jones aufgenommmen, bei Soundcloud läßt sich dieses auch downloaden.

Samstag, 18. April 2015

Blur: Geheimnisverrat

Keine sieben Tage mehr, dann kommt es, das neue Album "The Magic Whip" von Blur. Im Zeitalter des mehr oder weniger legal umherschwirrenden Datennebels sind unbekannte Titel eine Seltenheit und man darf sehr wohl darüber streiten, ob so ein Veröffentlichungstermin noch etwas magisches, einzigartiges hat. Zumal die Künstler selbst ja auch alles dafür tun, dass dieses Datum seine Anziehungskraft nach und nach verliert. Hier jedenfalls ist "My Terracotta Heart", ein weiteres Stück Geheimnisverrat - davon abgesehen klingt es ganz vorzüglich.

Freitag, 17. April 2015

John Carpenter: Nachtgestalten

Dass olle John Carpenter ein Freund von Cyberspielzeug ist, hätte man sich denken können. Im Videoclip zu "Night" von seinem Album "Lost Themes" hat er sich von den Regisseuren Gavin Hignight und Ben Verhulst eine sehr stimmungsvolle Kulisse aus nächtlicher Megacity und bedrohlicher Thrilleratmosphäre stricken lassen, wie die Geschichte vom Treffen der zwei fremdgesteuerten Nachgestalten ausgeht, bleibt aber wohl offen ...

The Prodigy vs. Sleaford Mods: Pimp my Kirmestechno

Okay, da gibt es keine zwei Meinungen: Die Sleaford Mods sind fucking cool und retten selbst die etwas dröge Altherrenmucke von The Prodigy - zumindest für 2:53 Minuten. So lange nämlich dauert ihr gemeinsamer Track "Ibiza" vom Album "The Day Isd My Enemy", jetzt mit Bildmaterial.

Editors: Überraschung

Damit war nun nicht zu rechnen: Die Editors haben kurz vor Wochenendbeginn noch für eine kleine Überraschung gesorgt und auf einem Sampler ihres Labels PIAS einen bislang unveröffentlichten und wohl auch neuen Track veröffentlicht. "No Harm", so der Name, kommt ziemlich getragen daher, sehr tiefe mit sehr hohen Stimmen kombiniert, düster ohnehin - melancholische Gruselmusik (so auf die Schnelle). Ob damit der weg frei wird für einen Nachfolger des 2013er "The Weight Of Your Love" ist aber noch nicht geklärt.

Giorgio Moroder: Australia for Dance

Alles doch sehr vertraut, auch knappe 45 Jahre (!) nach Karrierestart: Giorgio Moroder, der unangefochtene König der Italo-Disco, wird in diesem Jahr sein neues Album "Déjà Vu" veröffentlichen, mit dabei die schon bekannten Kollaborationen mit Kylie Minogue ("Right Here, Right Now") und Britney Spears ("Tom's Diner"). Nun kommt für alle, die es nicht erwarten können, der der Titeltrack in Umlauf, eine lockere Diskofunk-Nummer zusammen mit der australischen Künstlerin Sia Furler.



Zur Nachbereitung hier noch einmal der Clip mit der anderen Dame aus Down Under.

Donnerstag, 16. April 2015

WhoMadeWho: Wie erwartet

WhoMadeWho
„Ember EP“

(Get Physical)

Zu behaupten, WhoMadeWho hätten sich in den letzten Jahren rar gemacht, wäre dann wohl doch etwas übertrieben – immerhin stehen mit „Knee Deep“, „Brighter“ und „Dreams“ ganze drei Alben aus den letzten fünf Jahren zu Buche. Vor zehn Jahren bei ehrwürdigen Münchner Label Gomma gestartet, sind sie mittlerweile beim nicht weniger angesagten Berliner Elektronikdealer Get Physical (Booka Shade, Raz Ohara) gelandet, bei denen auch Drummer Tomas Barfod seine Solowerke veröffentlicht hat. „Ember“, die aktuelle EP, ist nun dort erschienen, den Hörer erwarten sechs hauptsächlich instrumentale Tracks, Fingerübungen zwischen Synthpop, Lounge und Dance. Wo „Birds“ und „Subliminal“ sehr verhalten und flächig instrumentiert sind, gibt es für „Yes“ und den Titelsong entspannte Gitarrenhooks zu pumpenden Beats, an anderer Stelle werden analogen Spuren mit gebremstem Funk verbastelt. Alles sehr laid back, handwerklich ordentlich, aber auch wenig spektakulär – man wartet so ein bisschen auf ein Ausrufezeichen und ist am Ende fast etwas enttäuscht, dass dieses ausbleibt. http://www.whomadewho.dk/

18.04.  Berlin, Stadtbad

Mittwoch, 15. April 2015

Kagoule: Kein Grund zum Zweifeln

Vorsicht vor Übertreibung? Sicher doch. Aber zurückhalten muss man sich trotzdem nicht, wenn es um das Trio Kagoule aus Nottingham geht - ihre verheißungsvolle Nähe zu den ganz frühen Smashing Pumpkins und auch zum explosiven Sound von Nirvana ist einfach gut genug um wahr zu sein. Nach einigem Vorgeplänkel (hier und hier) ist nun das Debütalbum angekündigt - Mitte August soll "Urth" via Earache Records erscheinen und der erste offizielle Song daraus heißt "Gush" (mhhh, "Gish", war da was?) ...

Courtney Barnett: Die Neil-Young-Situation

Es ist der längste Song auf dem Album, ihr epischer Neil-Young-Moment: Courtney Barnett läßt es bei "Kim's Caravan" von der aktuellen Platte "Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit" ordentlich krachen. Und auch das Video, gedreht von Bec Kingma, ist mit jeder Menge fremdartiger und skurriler Bilder aufgeladen, die den Zuschauer in eine ziemlich komische Stimmung versetzen können.

Schnipo Schranke: Tanz den Künstlerfürsten

Ein ungewöhnliches und deshalb sehr reizvolles Arrangement wird am 1. Mai 2015, ganze 132 Jahre nach der Präsentation des weltweit ersten Lippenstiftes auf der Weltausstellung in Amsterdam (so der Flyer), in der Münchner Stuckvilla geboten: Schnipo Schranke, das Hamburger Antihipsterduo, bestehend aus Friedrike Ernst und Daniela Reis, werden im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Friday Late" die altehrwürdigen historischen Räume des Hauses beschallen, begleitet von Martin Fengel und Jonas Imbery, die zur Aufstellung eines musikalischen Maibaumes schreiten. Viral berüchtigt wurden die beiden Damen durch ihr Video zum Song "Pisse" vom Staatsakt-Sampler "Keine Bewegung".

Dienstag, 14. April 2015

Eels: Der wahre Rock'n Roll

Eels
„Royal Albert Hall“

(E Works/PIAS)

Man muss tatsächlich nicht übermäßig viele Worte über dieses vorzügliche Werk verlieren. Wer in letzter Zeit wieder mal einen Blick in die legendäre Abschiedshow von James Murphy zusammen mit seinem LCD Soundsystem aus dem New Yorker Madison Square Garden riskiert hat, der weiß, dass sich wahre Größe, also der echte Rock’n Roll, nicht in Showbombast, irrwitzigen Choreografien und den Abmessungen der Videoleinwände manifestiert, sondern in der Fähigkeit, mit Charisma, Witz, Genie und einer fabelhaften Band einen riesenhaften Raum füllen zu können. Mit nichts anderem als ein paar Songs. Murphy konnte das und auch Mark Oliver Everett, also das „E“ in Eels, hat seit Jahren von all den genannten Qualiäten reichlich zur Verfügung. Und nutzt diese, keine wirkliche Überraschung, auch bei seiner Rückkehr in die Londoner Royal Albert Hall.

Keine Fuzzgitarren, keine verzerrten Loops und auch von bissigem Gegrummel nicht die Spur – Everett und Band präsentieren sich über das komplette Konzert als bestens eingespieltes Kammermusik-Ensemble voller Humor, spielfreudig und überaus aufgeräumt. Es dominieren die leisen, bestenfalls lakonischen Töne, es werden die Stücke des aktuellen Albums „The Cautionary Tales Of Mark Oliver Everett“ mit Klassikern und Coverversionen gemischt und zwischendrin mit launigen Ansagen garniert. So moniert Everett den Umstand, dass ihm zum wiederholten Male das Spiel an der gigantischen Orgel der Ruhmeshalle verweigert worden ist mit dem Hinweis, einer Softrock-Band wie seiner stände dieses Privileg wohl nicht zu.

Gekleidet in feines Tuch, lassen Eels auf einen „bummer“ gleich den nächsten folgen, nur um dann umgehend einen „total bummer“ oder den „next level bummer“ anzukündigen – allesamt fein austarierte, akustische Kleinkunstwerke wie „Parallels“, „My Timing Is Off“, „Lockdown Hurricane“ oder „Where I’m Going“. Trompetensoli, Vibraphon, Jazzdrums, nichts wird überzogen, höchstens mal sachte die Hüfte geschwungen oder das Publikum zum flotten Twang aus der Reserve gelockt, zum Dank dreht Everett später in der Zugabenpause eine mutige Umarmungsrunde durch’s verdutzte Parkett („fun and terrifying“). Man sollte trotz erstklassigem Klang auf die Bilder zum Ton nicht verzichten, bekommt man doch eine schöne Ahnung davon, mit welch einfachen Mitteln, so man sie ähnlich perfekt beherrscht, einem das Auditorium über einen ganzen Abend zu folgen bereit ist.

Und man kann den humorvollen Charme Everetts zur Gänze genießen, wie er mit der Geschichte des Ortes seinen Schabernack treibt (sagt man das heute noch?), vor John Lennon in die Knie geht (oder war’s doch Keith Richards?), seine Band antreibt und sich nicht daran stört, dass an Bass und Schlagzeug gleich zwei Lookalikes seiner selbst ihren Dienst tun. Und am Ende, nach dem dunkel schimmernden „The Beginning“ und einer Hommage an den noch etwas größeren Elvis Presley („Can’t Help Falling In Love“) gibt es, wen wundert’s, noch eine dicke und einigermaßen gruselige Überraschung in Sachen Pfeifkonzert. Und wer jetzt meint, dass das ja nun trotz der anderslautenden Einleitung doch erstaunlich viele Worte waren, dem sei gesagt: Der Mann hat es verdammt noch mal verdient. http://www.eelstheband.com/

Protomartyr vs. Kelley Deal: Gern geteilt

Wandlungsfähig waren sie schon vorher, jetzt haben sie eine neue Überraschung parat: Protomartyr, Post-Punk-Band aus Detroit, werden eine Splitt-Single veröffentlichen, die zwei neue Songs enthält. Ungewöhnlich: Die Titel wurden zusammen mit Kelley Deal von den Breeders ("Blues Festival") bzw. mit Deals Band R.Ring ("Loud Underneath") eingespielt. Das Werk kommt unter dem Titel "A Half Of Seven" ins Geschäft und zwar via Hardly Art - wer möchte, kann sich hier zumindest die A-Seite gönnen oder an anderer Stelle noch einmal die Besprechung von Protomartyrs Album "Under Color Of Offizial Right" nacharbeiten.

FFS: Offizielle Nummer 1

Ein nächster Song der Liaison zwischen Franz Ferdinand und den Sparks unter dem Kürzel FFS: "Johnny Delusional" firmiert nun neben "Piss Off" als erste offizielle Single der selbstbetitelten Platte (VÖ 05.06.) - wie auch immer, den Hörer wird es freuen.


Montag, 13. April 2015

Paul Weller: Station to station

Und noch einer gibt sich wieder einmal die Ehre: Olle Paul Weller wird mit seinem neuen Album "Saturns Pattern" ganze vier Mal hierzulande auf der Bühne stehen:

13.04.  Köln, Gloria
15.04.  Berlin, Admiralspalast
16.04.  Hamburg, Docks
17.04.  Münster, Jovel

Young Fathers: Endlich Termine!

Lang genug gewartet haben wir ja, jetzt rücken die Young Fathers endlich mit ein paar Terminen für Deutschland zur Promo ihres unschlagbar guten Albums "White Men Are Black Men Too" heraus, präsentiert von der SPEX:

14.06.  Berlin, Torstraßenfestival
23.08.  Hamburg, Dockville Festival
05.10.  Leipzig, Conne Island
07.10.  Köln, Gebäude 9
08.10.  Frankfurt, Zoom
09.10.  München, Kammerspiele

Florence And The Machine: To Be Continued

Eine ganze Reihe hochdramatischer Videoclips sind von Florence And The Machine in Vorbereitung ihres neuen Albums "How Big, How Blue, How Beautiful" ja schon im Netz (und also auch hier) zu finden, mit "Ship To Wreck" kommt nun der nächste Akt in Umlauf.

Marriages: Selige Zeiten

Marriages
„Salome“

(Sargent House)

Möglicherweise liegt man mit der Vermutung nicht ganz falsch, dass der geografischen auch eine musikalische Verwandtschaft folgt. Schließlich kommen die Marriages aus dem kalifornischen Los Angeles, dem sonnengebleichten Moloch also, der auch Warpaint beheimatet. Eine Band also, deren Sound ähnlich klare Bezüge zum düsteren Alternativrock der 90er aufweist – wo das Frauenquartett allerdings psychedelische Präferenzen setzt, schlagen Emma Ruth Rundle, Greg Burns und Andrew Clinco deutlich wavigere Töne an. Verhallter, leidenschaftlicher Sirenengesang, widerborstige Gitarrenwände, auch Esben And The Witch fallen einem da als Klang-Paten ein. Stücke wie die fabelhaften „Skin“ und „Binge“ mischen verzerrten Pedalnoise mit dumpf pochenden Drums, es schmirgelt und jault in aller epischen Breite, Musik also, für die man Jahrzehnte früher vor dem Bildschirm kniete, um bei „MTV 120 Minutes“ nur ja keinen Ton zu verpassen. Selige Zeiten, fürwahr – funktioniert aber heute auch noch ganz passabel. Kein Wunder auch, dass die Marriages in Europa u.a. mit David Eugene Edwards‘ Wovenhand unterwegs sind, einem Mann, der zu Dunkelheit und Mystik ein ähnlich vertrautes Verhältnis pflegt wie andere Menschen zu ihrem Frühstücksmüsli. Kann also nicht schaden, da mal vorbeizuschauen … http://www.marriagesband.com/

15.04.  Vevey, Rocking Chair (CH)
16.04.  Aarau, Kiff (CH)
17.04.  Schorndorf, Club Manufaktur
18.04.  Leipzig, UT Connewitz
21.04.  Linz, Posthof

Sonntag, 12. April 2015

Familienalbum # 7: Towkio

Zugegeben, zwischen Towkio, einem Rapper aus Chicago und den Radioimpulsen von PSRB1919+21, dem ersten offiziell entdeckten Pulsar, liegt eine gehörige Wegstrecke. Rein optisch ist es vom Cover seines künftigen Albums ".Wav Theory" (von diesem stammt übrigens der Song "Heaven Only Knows" zusammen mit Chance The Rapper) zur berühmten Schwarz-Weiß-Grafik der Post-Punk-Legenden Joy Division allerdings gar nicht so weit. Und hat man sich einmal in das Thema Reduktion, Geometrie und Abstraktion vertieft, ist blitzschnell ein neues Familienalbum fertig.

Hier gelistet wie gewohnt von links nach rechts/oben nach unten die entsprechenden Bands und Solisten: Joy Division (Unknown Pleasures), Apteka (Gargoyle Days), Beach House (Bloom), Throbbing Gristle (Transverse), Black Rebel Motorcycle Club (The Effects Of 333), Atoms For Peace (Amok), Glasvegas (Later ... When The TV Turns To Static), Factory Floor (Two Different Ways/Perc Remix), Actress (Splazsh), Figurines (Skeleton), Die Sterne (Flucht in die Flucht), Arctic Monkeys (AM), The XX (s/t), Lupe Fiasco (Around My Way), Truss (Kymin Lea) und Hot Chip (Remixes).

Samstag, 11. April 2015

Her: Tastefull

Viel zu soft und viel zu schön, um es einfach unbemerkt zu lassen: Turntablekitchen hat mal wieder einen Leckerbissen im Angebot (und bei dieser Seite ist das ja bekanntlich wortwörtlich zu nehmen) - ein französisches Popduo namens Her aus dem schönen bretonischen Städtchen Rennes und seinen bezaubernden Song "Quiet Like". Traumhafte Hooks - very tastefull.

Zugezogen Maskulin: Kleinkrieg

Zugezogen Maskulin
Support: Kenji451
Kranhalle, München, 9. April 2015

So, ganz genau so hatte man sich das auch vorgestellt, als einem Anfang des Jahres das neue und ohne jede Übertreibung grandiose Album von Zugezogen Maskulin unterkam: Wirrer Blick, autistische Zuckungen, Adrenalin bis unter die Halskrause – blitzgescheite, giftige Rhymes von provinzgeschulten Plattenbaukindern. Testo und Grim 104 jedenfalls kokettieren auf’s Großartigste mit den Klischees, die sie selbst bedienen: Den Berliner Hipstern geben sie die durchgeknallten Dorfdeppen, denen Langeweile und Crystal Meth die letzten Hirnzellen weggebrutzelt haben und die nach Rotkohl, Kartoffeln und Rouladen stinken, sobald sie nur ihr vorlautes Maul aufreißen. Den Münchnern wiederum präsentieren sie sich als kampferprobte Straßenköter, Kiezbewahrer und Todesdrogenjunkies, maximal geflasht, immer unter Strom und allzeit bereit, sich im Dienste der Moshpit Knochen und Stimmbänder zu ruinieren. Und auch wenn der Sound etwas schrottig, die Beats von Buddy Kenji451 eine Spur zu blechern rüberkommen – die Unterhaltung funktioniert. Stakkato-Raps feiern die neuen wie die alten Stücke, ununterbrochene Bewegung, ein Hetzen und Stolpern durch die deutsche Spießerhölle – Schnappatmung rules. „Entartete Kunst“, „Scheiterhaufen“ wunderbar – „Alles brennt“ und „Plattenbau O.S.T.“ sowieso, spielerische Authentizität, die manchmal auch wehtun muss. Nach neunzig Minuten wacht man schweißgebadet auf, wie aus einem Albtraum. Der grauweiße Rauch hat sich verzogen, der Krieg ist vorbei – für heute.

Freitag, 10. April 2015

Automat: Analog [Update]

Von der Autobahn zum Automat ist es nur ein kleiner Schritt: Heute nämlich vermeldet das Berliner Elektronik-Trio für Ende Mai die Veröffentlichung eines nächsten Albums mit dem Titel "Plusminus". Georg Zeitblom, Jochen Arbeit und Achim Färber haben das Nachfolgewerk für ihr letztjähriges Debüt mit einer Vielzahl von analogen Instrumenten und Geräten in den Tempelhofer Candy Bomber Studios aufgenommen, einen ersten Eindruck vermitteln eine Anzahl von Snippets, die im Netz zu finden sind.

Update: Hier nachgeliefert ein bislang unveröffentlichter Song und Clip der Band, aufgenommen für das neue 12"-Label namens SELEKT - Automat und Max Lodenbauer "Verstärker".



18.06.  Berlin, Tausend Bar (Release Party)
16.07.  Berlin, SO36

AUTOBAHN: Neue Hoffnung

Die letzte Notiz über AUTOBAHN, die hoffnungsvolle Post-Punk-Band aus Leeds, datiert nun auch schon wieder auf den Oktober letzten Jahres. Ein Debütalbum war stets angedacht, bis jetzt hat's damit leider noch nicht geklappt. Neue Hoffung könnte die aktuelle Single "Beautiful Place To Die" geben, die gerade das Licht der Welt erblickte.

Young Fathers: Auf der Flucht

Keine Ahnung, welchen Dämonen der Junge da davonjagt, angenehm scheint es jedenfalls nicht zu sein: Im aktuellen Video der Young Fathers zum Song "Shame" begleiten wir einen ziemlich aufgedrehten, einigermaßen aggressiven Burschen zum irren Rundlauf auf der Flucht vor - ja, wovor eigentlich?

Donnerstag, 9. April 2015

Tyler, The Creator: Fast zwangsläufig

Irgendwie hatte man es ja geahnt, jetzt, da Earl Sweatshirt und Kendrick Lamar ihre neuen Alben draußen haben und auch Frank Ocean schon hat durchblicken lassen, dass er ebenfalls ein ganz fleißiger Junge ist: Tyler, The Creator möchte sich da nicht lumpen lassen und bringt just nächste Woche seine dritte Platte unter die Meute - "Cherry Bomb" ist der Nachfolger von "Wolf" (2013) und wird, das ist nun wirklich eine hübsche Nachricht, von einer Tour flankiert, die den Kalifornier auch nach Europa führt. Das nachfolgende "Fucking Young/Perfect" stammt wohl schon aus dem neuen Fundus...

19.05.  Hamburg, Mojo-Club
21.05.  Berlin, C-Club
23.05.  Zürich, Volkshaus
24.05.  München, Theaterfabrik
25.05.  Köln, Kantine



Mittwoch, 8. April 2015

Metz: Ausgespuckt

Damit es nicht allzu gemütlich wird: Ein paar neue Töne vom kanadischen Noisepunk-Trio Metz, die ja kürzlich ihr zweites Album "II" ankündigten. Nach der ersten Auskopplung "Acetate" gibt es jetzt "Spit You Out" - die ganze Platte dann am 8. Mai.

Dienstag, 7. April 2015

St. Vincent: Fast alles neu

Tatsächlich, in voller Länge war das bisher noch nicht zu haben: St. Vincent hat ihren Standalone-Track "Teenage Talk", der für die HBO-Serie "Girls" produziert wurde, jetzt endlich komplett in's Netz gestellt - bei Jimmy Fallon und seiner Tonight Show überraschte Annie Clark zudem mit neuem Outfit.