Dienstag, 2. Juni 2015

Algiers: Wut im Bauch

Algiers
„Algiers“

(Matador)

Natürlich und selbstverständlich und überhaupt ist das der neueste und heißeste Scheiss in Sachen experimenteller Rockmucke, wenn schon Drone dransteht, dann muss ja gut sein, was das Trio aus Atlanta da macht. Und – Überraschung: Ist es wirklich. Franklin James Fisher, Ryan Mahan und Lee Tesche werden es, einziger Nachteil, wohl kaum ins Vorprogramm von TV On The Radio oder den Young Fathers schaffen, denn der Sound ihres Debüts klingt wie die Schnittmenge beider Bands und darf trotzdem mit Originalität punkten. Mehr noch als die beiden Referenzen haben es sich Algiers zur Aufgabe gemacht, Punk und Gospel miteinander zu kreuzen und hernach unter Strom zu setzen – die Stücke des Debüts klingen denn auch nach Knochenklappern und Zähneknirschen, wie ein stampfendes Mahlwerk wummern die Bässe zu kreischenden Gitarren und der übersteuerten Stimme des Sängers. Dieser hat im Übrigen auch den Bezug zu den traditionellen Spirituals in die Band gebracht, legt allerdings großen Wert darauf, dass sich deren Einfluß auf die politische Komponente beschränkt. Dieser Bezug wird bei Algiers in vielerlei Hinsicht augen- und ohrenfällig, das beginnt natürlich beim Namen der Formation selbst (und dem Verweis auf die algerische Hauptstadt und ihre Geschichte im afrikanischen Befreiungskampf), zudem verstehen sich viele Stücke als Statements gegen Rassismus, Gewalt und religiöse Vereinnahmung.

Zu seinem Heimatland hat Franklin James Fisher dabei eine weniger herzliche Beziehung, dem Online-Portal Quietus sagte er kürzlich: “In my adult life, I've never felt any positivity about the future anywhere - certainly not in America. I'm not fooled by the office of President Obama; America is the same place it's always been. Institutionalised violence against people of colour is more American than apple pie.” Kein Wunder also, das sich die Mehrheit der Songs nach viel Wut im Bauch anhören – so etwa der Synthpop von “Irony.Utility.Pretext.” oder das zackige MashUp aus Noise und Tribal bei “Black Eunuch”. Interessant ist es, die musikalische Sozialisation der drei Bandmitglieder zu verfolgen, über Eltern, Geschwister und frühe Freunde haben sie alles ins Stammbuch ihrer Formation eingetragen, was man in Ansätzen aus dieser wilden Mixtur auch herauszuhören glaubt – das krachende Feedback von Sonic Youth, den Industrial von Throbbing Gristle, den Punch von Public Enemy und die verstörenden Lärmorgien der Einstürzenden Neubauten. Das wunderbare “Blood” kann hier als Lehrbeispiel herhalten, wie sich all diese verschiedenen Stränge zu einem spannenden Ganzen bündeln lassen. Und weil die drei offenbar keine Berührungsängste kennen, ist mit Langeweile vorerst nicht zu rechnen. http://algierstheband.com/

Den Komplettstream des Albums kann man sich zur Zeit bei NPR anhören.

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