Montag, 28. März 2016

Bob Mould: Etappensieger

Bob Mould
„Patch The Sky“

(Merge Records)

Das Außergewöhnliche ist ja nicht unbedingt die Biografie. Viele andere Menschen haben wie Bob Mould Freunde und engste Familienangehörige verloren, hadern mit ihren Beziehungen, selbst den schmerzhaften, aber gleichwohl befreienden Schritt zu sexueller Selbstbestimmung, Bekenntnis und Outing sind vor ihm schon viele gegangen. Schwierig wird es immer dann, wenn all das in der Öffentlichkeit geschieht. Nun schöpft der Künstler seine Kreativität, seine Inspiration nicht selten aus der persönlichen und sehr privaten Lebens- und auch Leidensgeschichte und gibt diese mit seinem Werk zur Teilhabe, zur Anteilnahme frei. Das macht ihn transparent, angreifbar, verletzlich. Und bringt nicht selten Enttäuschungen auf beiden Seiten mit sich, wenn denn das Idol sich so gar nicht mit dem Bild in Gleichklang bringen läßt, was man sich im Laufe der Jahre zusammengezimmert hat. Oft endet das dann in Unverständnis, Liebesentzug, Abwendung.

Bob Mould hat das alles in sehr komprimierter Form erfahren, insofern ist seine Biografie dann doch weit außerhalb des Gewöhnlichen. Er war (und ist für viele) mit Hüsker Dü die Ikone des alternativen Punkrock, konnte auch nach Auflösung der Band solistisch und unter den Monikern Sugar, Blowoff oder LoudBomb bemerkenswerte Erfolge feiern. Schon Anfang der 90er Jahre entschloß sich Mould, mit seiner Homosexualität an die Öffentlichkeit zu gehen, dem folgten zahlreiche Benefiz-Aktivitäten und auch manche musikalische Neuorientierung. Das wirklich Erstaunliche ist, mit welcher Geradlinigkeit der Mann seine Pläne verfolgt und verteidigt, sein Lebensweg folgt einer Straightness, die so häufig nicht vorkommt und einigen Respekt abnötigt. Er kann sich mit seinem ehemaligen Freund und Bandkollegen Grant Hart aussöhnen und trotzdem alle Hoffnungen auf eine Hüsker-Dü-Reunion lächelnd ein für alle Mal vom Tisch wischen.

Wieso sollte er auch? Seine aktuelle Band mit Jason Narducy und Jon Wurster spielt auch heute noch mit beeindruckender Energie und Klarheit und läßt so erst gar keine heimlichen Sehnsüchte aufkommen. „Patch The Sky“ steht ja an dritter Stelle der letzten Soloetappe, die mit „Silver Age“ begann und vor zwei Jahren in „Beauty And Ruin“ seine Fortsetzung fand. Wo der Vorgänger noch den Tod des Vaters thematisierte, war für die neue Platte der kurz darauf folgende Abschied von der Mutter prägend – Mould bezeichnet „Patch The Sky“ denn auch als seine dunkelste Arbeit mit dem größten Tiefgang. Songs über das Altern und die Endlichkeit finden sich hier reichlich, der elegante Graubart klagt über die Stimmen im Kopf, die ihn mehr und mehr umtreiben und auch die Geschichte hinter dem Titel kommt mit einer besinnlichen Parabel über den Verlust und die Beharrlichenkeit auf Erden daher:

„When people leave earth, they tear through the sky, and sometimes they rip a hole in it“ schilderte er kürzlich einem Netzportal seine Idee, „People get left to try to fix that – you’re gonna have to try to approach that hole, you can’t do it from the ground. Better to fix the hole and stay on this side than to travel through.” Und auch wenn einem auf dem Album nicht wenige Stücke mit der Geschwindigkeit und Rohheit der früheren Tage entgegenbrettern, den nachdrücklichsten Eindruck hinterlassen am Ende eher die bedächtig-kraftvollen. „Hold On“, „Black Confetti“ und „Monument“ sind von einer Wucht und Intensität, die selbst auf den beiden Vorgängern nur selten zu finden waren, Mould hat also nichts von seiner Entschlossenheit verloren. Und ist mit seinen nunmehr 56 Jahren noch immer die treibende Kraft einer Generation, die, zumindest was seine Person betrifft, noch lange nicht auf’s Altenteil gehört. http://bobmould.com/

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