Donnerstag, 26. Januar 2017

Austra: Kein Schicksal, nirgends [Update]

Austra
„Future Politics“

(Domino)

Wer an die höhere Macht des Schicksals glaubt, den wird diese Platte sinnigerweise gleich in doppelter Hinsicht beschäftigen. Zum einen steht sie, ganz im Sinne ihrer Schöpferin Katie Stelmanis, vehement auf gegen Fatalismus, gegen lähmende Ängstlichkeit und Dystopien – Tenor: Es gibt nichts, wogegen man nichts tun könnte, man muß es halt nur versuchen. Und sie tut dies ironischerweise genau an dem Tag, da ein wildgewordener und höchstwahrscheinlich auch sehr gefährlicher Toupet-Träger im Weißen Haus das Ruder übernimmt und keiner so recht weiß, was genau das für die Zukunft dieses Landes oder besser noch des ganzen Planeten zu bedeuten hat. Das heißt dann also, daß Austra ihre These von einer mitmenschlichen Zukunftspolitik, die möglich sei und sein muß für jeden einzelnen von uns, in Stellung bringt gegen einen der vermeintlich härtesten Gegner – und zwar an einem „Schicksalstag“. Ha! Mehr Drama geht eigentlich gar nicht.



Daß die Kanadierin seit ihrer letzten Platte „Olympia“ so einiges von oben nach unten gewendet hat, merkt sehr schnell, wer sich die Texte zu ihren Liedern anschaut – politischer war sie nie und große Lust, die ganze Thematik in Metaebenen oder mehrdeutige Sprachbilder zu verpacken, gab es offensichtlich auch nicht: „I look ahead and I think about it, there's still a hope somebody needs to feel. I don't wanna hear that it's all my fault, the system won't help you and your money won't help”, singt sie im Titelsong und es gibt kaum etwas, das man da missverstehen könnte. Es geht um Utopien, um Selbstbestimmheit, Empathie und Widerstände. Unzufriedenheit zu artikulieren ist das eine, doch wer sich allein darauf beschränkt, endet schnell als Troll und Hater – sich aber der eigenen Gestaltungskraft bewusst zu werden und tatsächlich auch das Mögliche zu tun, dieser Aufruf darf wohl als das Grundanliegen von “Future Politics” gelten und wird kaum eindrucksvoller als im Opener “We Were Alive” zur Sprache gebracht.



Aber nicht nur Texte, sondern auch die Töne sind Stelmanis, unterstützt von Maya Postepski, Dorian Wolf und Ryan Wonsiak, zum wiederholten Male wunderbar gelungen. Schon das Debüt “Feel It Break” und besagter Nachfolger “Olympia” hatten es sich ja zur Aufgabe gemacht, Synthpop, Darkwave und Tanzmusik auf das Trefflichste zu vermählen, auf Album Nummer drei wird dieses Ansinnen nun perfektioniert. Pulsierende Beats zu glockenheller Stimme, flirrende Klangflächen und allerlei elektronische Spielereien – in den besten Momenten sind die Stücke nicht weit entfernt von Björks exzentrischen Hyperballaden (oft genug jedenfalls, als daß man der Band die eine oder andere Enya-Haftigkeit verzeiht). Keine kleine Leistung jedenfalls, ein politisch derart aufgeladenes Werk – man denke auch an das Schlußstück “43” und das damit verbundene Schicksal der verschwundenen Studenten in Mexiko, Stelmanis’ neuer Wahlheimat – so anmutig zum Schwingen zu bringen. Sie hat ihren Teil für’s erste erledigt, jetzt sind dann wohl wir dran. http://www.austramusic.com/

06.03.  Hamburg, Uebel und Gefährlich
08.03.  Berlin, Astra                                          
09.03.  München, Ampere                                 
10.03.  Leipzig, Conne Island
18.03.  Köln, Gloria

Update: Auch das neueste Video zur aktuellen Platte ist ein kleines Kunstwerk geworden - für "I Love You More Then You Love Yourself" nahmen Austra Bezug auf die tragische Geschichte der amerikanischen Astronautin Lisa Nowak, gedreht hat M. Blash, der schon bei "Loose It" und "Hurt Me Now" mit der Band zusammengearbeitet hat.

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