Dienstag, 7. März 2017

La Brass Banda: Passionsspiele

La Brass Banda
„Around The World“
(RCA/Sony)

Was würde das wohl für ein trauriges Bild abgeben, wenn wir zukünftig nur noch vor der heimischen Konsole säßen, der Mund zu einem entgeisterten Staunen erstarrt und die Augen hinter einer dieser protzigen VR-Brillen verborgen? Keine Vergangenheit mehr, die es zu vermissen gäbe, keine Gegenwart zum wortwörtlichen Begreifen, Karl May läßt grüßen – nur noch trügerische Wunschträume, virtuelle Realitäten, Hologramme, alles geht und Gefühle können wir uns nicht mal mehr schenken. Was das mit La Brass Banda zu tun hat? Nun, man kann ja über die Blechkolchose vom Chiemsee vieles behaupten – zu viele Flausen, zu große Hallen, gar zu modern und nicht mehr so ursprünglich (wobei zu klären wäre, wo genau man da die Grenze ziehen wollte) – an Experimentierfreude und Unternehmungslust hat es den Brassern um Stefan Dettl noch nie gemangelt. Und daß sie jetzt in die Weltgeschichte hinausgezogen sind und alle Erlebnisse dieser einmonatigen Entdeckungsreise in eine Art Jubiläumsalbum gepackt haben, das kann man ihnen nicht hoch genug anrechnen. Vor allem, wenn es so gut gelungen ist.



Denn auch dem, der mit Vorbehalten, die eventuell auf der letzten Studioplatte „Europa“ und ihrer manchmal allzu bemühten Elektrifizierung fußen, an den Start gegangen ist, darf gesagt sein: Man muß sich nur die kurzen Videosequenzen anschauen, die das aktuelle Werk im Netz begleiten, um zu ermessen, mit welcher Passion die Kapelle durch die Gegend zieht, um an den ungewöhnlichsten Orten zu musizieren und unterwegs alles an Inspiration gierig aufzusaugen, was dem eigenen Entwicklungsprozeß dienlich sein könnte. Und an diesem wiederum lassen sie uns Zuhörer teilhaben – Afrobeats, Latinorhythmen, Reggaevibes, Hongkong, Australien, Japan, Brasilien, die USA natürlich, das und noch mehr gibt die bunte Mischung der Platte her. Kombiniert (quasi Crossover) mit ihrer charmanten Heimatverbundenheit, die aufkratzt, mitstampft, zum Tanz lädt oder zu Tränen rührt.



Ein Widerspruch, den man durchaus leben kann: Wenn Dettl mit wässrigen Augen und seligem Grinsen der Sambaschule bei der Performance zuschaut, dann ist er einerseits endlich angekommen, bei Menschen, die wie er Musik als Leidenschaft und Lebensinhalt begreifen – dennoch singt er ein paar Takte später wieder von der Sehnsucht nach der heimischen Hütte , den Rückzugsorten seiner Jugend und den Herzensmenschen („Johnny“/“Laba“). Und weiß doch auch, daß nicht einmal mehr die ohne Wehmut zu haben sind, daß Erinnerungen verblassen oder der Zeit zum Opfer fallen („Africa“). Das Schöne an „Around The World“ ist wohl neben der Kunstfertigkeit der Band, daß das Album weder in seiner Grundstimmung noch stilistisch aus der Balance gerät. Der Sound ist so nahe an den Wurzeln der Freunde, am „Bauwagn“ und am „Woid“ also, wie selten zuvor und traut sich doch so wunderbare Spinnereien wie den rosaroten „Cadillac“ samt Housegroove und Autotune. Zurück mit dem Blick nach vorn, etwas Besseres hätte ihnen wie uns kaum passieren können. http://www.labrassbanda.com/

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