Mittwoch, 31. Mai 2017

Italia 90: Starke Bilder

Sport macht Bilder. Nicht nur im TV oder Netz, sondern vor allem im Kopf. Das kann man ganz schnell selbst ausprobieren: München '72? Sturmhaube auf Balkon. Wimbledon '85? Beckerjubel. Imola '94? Senna in Trümmern. Man kann das ohne Ende weitertreiben. Ähnliche Gedanken haben wahrscheinlich auch die Londoner Jungs von Italia 90 umgetrieben und wenn es ihnen um die eigene Mannschaft bei der damaligen WM ging, dann waren das sicher keine allzu vergnüglichen Erinnerungen: Gascoigne weinend am Ende, Halbfinale gegen Deutschland (natürlich im Elfmeterschießen), Spiel um Platz drei gegen den Gastgeber verloren, nichts also, wozu man gern das Kopfkino einschaltet (daß Rudi trotz Spuckattacke am Ende Weltmeister wurde - Randnotiz). Passenderweise heißt der siebenminütige Kracher, den sie gerade vernetzt haben, "Competition" - wenn all das bedeutet, daß die vier einen guten Humor haben, dann wollen wir gern mehr davon.

Dienstag, 30. Mai 2017

Kraftklub: "Ein Hit für Helene, das wär's!"

Keine Nacht für Niemand? Ein neues Album von Kraftklub? Ganz klar, müssen wir was machen. Aber statt den Jungs mit schwergewichtigen Fragen auf die Nerven zu gehen, schicken wir doch besser jemanden zum Interview, der schon altersmäßig besser zur Band passt und nicht bei Kraftwerk stehen geblieben ist. Zum Glück haben wir in Leipzig mit Josefine Simonsen quasi unsere Fieldreporterin für Berlin und den wilden Osten sitzen und so machte sie sich umgehend auf in die Hauptstadt zur Album-Preview bei Landstreicher Bookings und anschließendem Gespräch mit Felix Brummer, Steffen Israel und Karl Schumann. Über was geredet wurde? Nun, die neuen Songs natürlich, aber auch über eigenartige Rituale, Helene Fischer, Schnaps und Kosmonauten. Also dann, schnell mal reingehört ...

Am Freitag kommt das neue Album – aufgeregt?
Steffen: Es geht noch. Machen kann man jetzt sowieso nichts mehr, das ist ja jetzt fertig. Wir sind eher aufgeregt, weil es auch wieder mit den Konzerten losgeht, wir also gleich wieder voll loslegen. Wenn man bedenkt, dass wir so lange nicht gespielt haben.
Karl: Wir können ja vorher proben.
Steffen: Ja einmal vielleicht. Wir sollten auch nicht übertreiben. Einmal vielleicht noch gucken, wie man die Gitarre hält.

Das ist ja jetzt Euer drittes Album. Habt ihr da irgendwie Schiss, dass das Feedback vielleicht nicht so gut sein könnte wie bei den ersten beiden?
Felix: Nö. [lacht] Also beim zweiten hatte ich tatsächlich befürchtet, die Reaktionen wären nicht so gut, so von wegen Nachfolger vom Debüt und so. Dieses Gefühl hab ich jetzt überhaupt nicht. Negatives Feedback gibt es ganz bestimmt, aber Angst davor, dass wir vielleicht wirklich Quatsch gemacht haben könnten – die gibt’s nicht.
Karl: Ich glaube, das ist auch fast unmöglich. Dass also fünf Leute etwas gemeinsam machen, dann wahnsinnig stolz darauf sind und am Ende war’s ein Griff ins Klo ... nee, das müsste man erstmal hinbekommen.

Felix: Bei der zweiten Platte waren wir wirklich viel unsicherer. Nicht, weil wir plötzlich verlernt hätten, wie man die Musik macht, auf die wir Bock haben. Sondern weil der Druck von außen schon spürbar war und viele gefragt haben: „Waren Kraftklub vielleicht doch nur ‘ne Eintagsfliege?“ Jetzt, wo das hinter uns liegt, ist alles entspannt.

Gibt es denn einen neuen Song, auf den ihr live schon richtig Bock habt?
Felix: Ich freu mich sehr auf den Song „Am Ende“. Der wird wahrscheinlich der erste Song unserer Show auf den Festivals sein. Wir werden also gleich mit einem neuen Song anfangen.
Steffen: „Am Ende“ am Anfang. Könnte zu Verwirrungen führen ...

Ihr habt es ja schon gesagt: Ihr spielt diesen Sommer auf vielen Festivals und dann im Herbst folgt die Tour. Favorisiert ihr eins von beiden?
Felix: Das Gute am Festivalsommer ist halt der Sommer …
Steffen: Ja, dass man draußen spielt. Festivals an sich sind ja schon deshalb cool, weil man kann sich all die anderen Bands angucken kann.
Felix: Also ich bin tendenziell auch eher pro Festival. Aber wir haben in den letzten Wochen für ‘n paar Geheimkonzerte einfach so nachts in Clubs gespielt. Und das fand ich eigentlich mit am lustigsten, so ganz ohne Ankündigung aufzutreten.

Kommt es denn vor, dass manche Leute dann sagen: „Och ne, auf die hatte ich jetzt gar keinen Bock, was machen denn die hier?“
Steffen: Da sind wir egoistisch. Wir haben da Bock drauf, uns macht’s Spaß und wenn es euch nicht gefällt, dann – tja, tut’s uns leid.
Felix: Das ist tatsächlich ‘ne gute Möglichkeit, die neuen Sachen nochmal zu testen. Wir haben ja in erster Linie als Live-Band angefangen und uns auch immer als solche verstanden. Und da mussten wir natürlich anfangs öfters vor Leuten spielen, die keinen Bock auf Kraftklub hatten – den Support will ja in der Regel niemand sehen. Das ist ‘ne harte Schule, durch die wir schon früh gegangen sind. Und klar, wenn wir jetzt irgendwo überraschend in Clubs spielen, gibt’s bestimmt auch ein paar Leute, die da keine Lust drauf haben. Aber da müssen die durch, wir müssen’s schließlich auch.

Merkt man denn, dass die Stimmung anders ist, wenn man unangekündigt spielt?
Felix: Ich glaube, das läuft immer ähnlich ab. Man kann uns ja so viel hassen wie man will, aber eine schlechte Live-Band hat uns nun wirklich noch niemand genannt. Ich glaube, selbst der härteste Hater guckt sich das doch erst mal ein paar Minuten an. Und so lang wird‘s ja in der Regel auch nicht.
Karl: Richtig, denn das Geheimrezept lautet: Nie zu lange spielen, immer kurz und knackig!

Wieso spielt ihr eigentlich nicht auf dem Kosmonaut Festival?
Steffen: Die haben uns nicht gebucht, die Schweine!
Karl: Wir wollten uns zu wenig zahlen.
Steffen: Nee, im Ernst – wir wollten nicht, dass die Leute immer davon ausgehen, dass wir da jedes Jahr spielen und dass sich das Festival nur um uns dreht. Es soll ein eigenständiges Festival sein mit vielen verschiedenen coolen Bands. Deswegen haben wir da offiziell erst einmal gespielt und gleich zum Start als der „Geheime Headliner“, weil da natürlich noch keiner mitmachen wollte.

Habt ihr denn ein Ritual vor Konzerten?
Steffen: Zähne putzen.
Felix: Da gab’s tatsächlich mal eins, weil wir es immer so cool fanden, dass die anderen Bands so ein Ritual haben. Und da hatten wir mal einführt, dass wir uns alle vorm Konzert in einen Kreis stellen und jeder dem nächsten im Uhrzeigersinn eine Ohrfeige gibt.
Steffen: So als Ermutigung.
Felix: Das hat eine Weile auch ganz gut funktioniert. Bis bei einer Clubshow mal unser Tonmann Nico mit in der Runde stand. Normalerweise ist der ja immer schon am Pult, nur diesmal halt nicht. Wir jedenfalls fangen an, uns Reih um eine zu klatschen. Und Max, unser Schlagzeuger, haut halt dem Nico eine ins Gesicht. Und der scheuert dem Max reflexartig dermaßen eine zurück, dass wir alle mit offenem Mund dastanden und gesagt haben: „Okay, das ist jetzt irgendwie der Zeitpunkt, an dem wir dieses Ritual beenden sollten.“
Karl: War ja auch nicht besonders cool, sich gegenseitig vorher eine reinzuhauen. Dann geht man mit ‘nem Handabdruck auf der Backe auf die Bühne, hat vielleicht Schmerzen und so richtig gut fürs Bandgefühl und die Stimmung war‘s dann wirklich nicht.
Steffen: Da haben wir‘s besser gelassen …

Und etwas Neues ist Euch nicht eingefallen?
Felix: Steffen trinkt manchmal heimlich noch ‘nen Schnaps. [Lachen]
Steffen: Stimmt doch gar nicht.
Felix: Warum lachste denn dann so ertappt?
Steffen: Ab und zu mal was trinken, das hat man früher doch öfter gemacht vorm Auftritt ...
Karl: Ja, und jetzt machste es eben alleine.
Steffen: Man merkt ja schnell, dass es sich echt beschissen spielt, wenn man vorher zu viel getrunken hat. Aber einer ist keiner, sag ich immer. Und ich putz mir immer die Zähne vorm Auftritt!
Karl: Nach dem Schnaps.



Für Eure erste Single „Dein Lied“ habt ihr erstmal ganz schön viel Kritik eingesteckt, weil es ja nicht der ganz typische Kraftklub-Sound ist. Hat das besonders Spaß gemacht oder habt ihr Euch da eher missverstanden gefühlt?
Felix: Teils, teils. Manche Leute haben das ein bisschen komisch aufgefasst, weil sie‘s nicht verstanden haben. Wenn wir jetzt böse Rapper gewesen wären, dann wär’s vielleicht klarer gewesen. Oder wenn wir den Song in der dritten Person gesungen hätten. Aber es war halt in der ersten und es waren halt keine bösen Rapper, sondern eben wir. Das hat einige ein bisschen verschreckt. Und ein wenig kann man’s auch verstehen. Wir finden es ja auch dumm, wenn ständig verkrustete Rollenklischees bedient werden, wenn Frauen als Schlampen bezeichnet werden und der Typ, der Sex mit vielen Frauen hat, ist der lässige Casanova. Klar ist das dumm und rückständig. Aber hat halt nichts mit dem Song zu tun. Aus der Perspektive, die wir für den Typen gewählt haben, kippt die Stimmung von verständnisvoll in rachsüchtig und psychopathisch und das finden wir super spannend. Manchen Leuten ist das zu hart, auch das Wort „Hure“. Aber wir verwenden eine extreme Sprache, um extreme Emotionen rüberzubringen. Und das macht uns Spaß. Anderen nicht, deswegen ist das vielleicht nicht so gut angekommen. Aber damit müssen wir leben.

Im Video zu „Dein Lied“ steht ja im Hintergrund die ganze Zeit das brennende K und ab und zu sieht man, wie sich im Orchester jemand nervös umdreht – waren die froh, als der Dreh vorbei war?
Felix: Na auf jeden Fall. Das K war wirklich riesig. Die Idee war schon vorher ziemlich lustig – wir bauen zehn Stunden lang ein K auf und das lassen wir dann einfach in drei Minuten abbrennen. Aber das dann tatsächlich so zu machen, erfordert halt unglaublich viel Vorbereitung, denn die Dimensionen kann man sich gar nicht richtig vorstellen. Ich weiß auch gar nicht, ob das auf dem Video so rüberkommt, aber das war wirklich riesengroß und halt auch dementsprechend richtig heiß. Und ich glaube schon, da hat hinten der ein oder andere im Orchester ein bisschen geschwitzt.
Steffen: Aber das K war 12 Meter hoch und das Orchester saß 22 entfernt, also rein physikalisch wär das gar nicht möglich gewesen, selbst wenn es umgefallen wäre.
Felix: Aber die Hitze war schon heftig.

Wie seid ihr auf die Idee zu dem Video von „Fenster“ gekommen? Ist jemand von Euch ein Fan von „Falling Down“?
Felix: Den Bezug gibt’s tatsächlich, auf jeden Fall.
Steffen: Wir versuchen uns ja bei allem Gedanken zu machen, weil‘s Spaß macht. Natürlich um die Musik, aber auch beim Drumherum gibt es ganz viel Sachen zu überlegen. Schabernack, live und das alles. Aber bei dem Video haben wir wirklich gesagt: Das geben wir ab.
Felix: Die Grundidee ist ja sehr lustig, dass der Amokläufer niemanden findet, den er noch umbringen kann, diese Figur also noch absurder zu machen. Er würde halt so gern jemanden erschießen, aber es gibt einfach niemanden mehr, alle sind schon tot. Und mit seiner Wut und seinem Hass steht er am Ende ganz allein da. Das fanden wir ein schönes Bild, das passt auch gut zum Inhalt des Songs. Dieser unbändige Wille „Ich will was verändern, ich will den Leuten mal zeigen, wie‘s richtig geht, irgendjemand muss doch mal was machen gegen diese ganze Überfremdung! Und deshalb geh ich jetzt los und mach‘ das selber!“ Und diese Haltung wollten wir mit der Figur ein bisschen auf die Schippe nehmen.



Bei dem Song singt ja auch Farin Urlaub mit, wie ist es denn zu der Zusammenarbeit gekommen?
Karl: Wir sind ja alle große Ärzte-Fans, unser Produzent hat mal für Die Ärzte gearbeitet und hat halt seine Handynummer. Und da haben wir Farin gefragt, ob er Lust hat. Eigentlich wollten wir ihn eher für einen anderen Song haben, da sollte er einen Chor singen, weil er das so schön kann. Doch dann haben wir ihm noch mal „Fenster“ vorgespielt und da meinte er, das würde ihm noch besser gefallen. Also hat er da mitgemacht.
Felix: Ist halt krass, wie sich der Song ab diesem Moment wirklich anhört wie einer von den Ärzten. Und wir haben für ungefähr 30 Sekunden ein Ärzte-Stück auf unserer Platte.

Gibt es denn noch eine andere Band oder einen anderen Künstler, mit der bzw. dem ihr richtig gern mal zusammenarbeiten würdet?
Karl: Helene Fischer.
Felix: Bei Helene Fischer auf ihrem Album so ‘nen kleinen Song ... Nee, wir haben vorhin gelesen, dass über tausend Leute für das neue Helene-Fischer-Album Songs eingeschickt haben. Sie hat sich quasi aus tausend Songs das Album ausgesucht, das sie dann gesungen hat. Auf der einen Seite ist das irgendwie unglaublich eklig und pervers, dass man sich einfach so aus tausend völlig fremden Stücken sein Album herausklabustert. Auf der anderen Seite halt auch ziemlich faszinierend. Aber sonst sind auf dem Album eigentlich fast alle Leute versammelt, mit denen wir in den letzten Jahren zu tun hatten oder von denen wir inspiriert wurden, seitdem wir Musik hören.
Steffen: Wenn jetzt aber Phil Collins sagen würde: „Ich will bei euch auch mal was singen“, dann würden wir den schon auch noch unterkriegen …

Apropos Inspiration: Gibt es einen bestimmten Grund dafür, dass man auf dem neuen Album besonders viele solcher Anspielungen hört?
Felix: Also irgendjemand hat mal über die neue Platte gesagt, dass sie deutlich zeigen will, wo wir herkommen, wo unsere musikalische Heimat liegt. Auf der anderen Seite aber auch versucht, sich davon zu emanzipieren. Das hätte ich jetzt nicht so ausgedrückt, aber ich find‘s irgendwie ganz passend. Es war jetzt keine bewusste Entscheidung, so eine Art Collage zu machen, aber am Ende hat es sich richtig angefühlt, hier noch wen zu fragen oder da noch was zu verstecken, denn schließlich zeigt das Album dann, aus welchem Holz wir geschnitzt sind.

Ihr seid ja mittlerweile viel in Berlin, habt ihr denn irgendwann mal bereut „Ich will nicht nach Berlin“ gemacht zu haben?
Felix: Wir haben schon immer gesagt: Berlin ist geil. Schon als alle anderen Berlin noch abgehatet haben, da waren wir schon bei: „Berlin. I love it.“

Also doch alles nur Ironie?
Felix: Ja, das hat niemand verstanden. [Lachen] In Wirklichkeit war es ein verzweifelter Hilfeschrei, weil wir dort keine Wohnung gefunden haben. Trotzdem haben immer noch ein ziemlich ambivalentes Verhältnis zur großen Stadt mit dem B.
Steffen: Braunschweig.
Karl: Briggow.
Felix: Es ist aber nicht mehr so dramatisch. Wir haben unseren Frieden geschlossen mit der Hauptstadt, wir fühlen uns hier sehr wohl. Schließlich haben wir hier auch das Album aufgenommen, wir reden gerade in Berlin und sind auch privat oft da. Aber es ist auch immer wieder schön „Tschaui“ zu sagen. Und einfach wegzufahren.

Mittlerweile werdet ihr ja auf der Straße sicher erkannt. Ist es eigentlich in Berlin oder in Chemnitz entspannter, durch die Straßen zu laufen?
Felix: Entspannt ist beides. Wenn wir nicht gerade unsere Uniform anziehen und durch die Stadt schlendern, ist das alles nicht so dramatisch.
Karl: Wenn wir zu fünft in Berlin auf ein Konzert bei Von Wegen Lisbeth vorbeischauen, dann wird man schon mal erkannt, aber sonst hält sich das in Grenzen.
Steffen: Also ich wurde in Berlin noch nicht angesprochen.
Felix: Man muss vielleicht jeden Tag mal ein Foto machen, aber damit kann ich umgehen. Da gibt’s wirklich Musikerkollegen und -kolleginnen, wo’s ganz anders abgeht, wo Leute vor der Haustür warten, so obsessiv ist das bei uns nicht.

Also keine kreischenden Mädels?
Karl: Ach, um Gottes willen.
Felix: Nee.
Steffen: Das wäre echt schrecklich.
Karl: Naja, Steffen ist wohl der Einzige, der das feiern würde.
[Lachen]

17.10.  Salzburg, Rockhouse
18.10.  Dornbirn, Conrad Sohm
20.10.  Kempten, bigBOX Allgäu
21.10.  Stuttgart, Hans-Martin-Schleyer-Halle
22.10.  Pratteln, Z7
24.10.  Münster, Halle Münsterland
26.10.  Hannover, Swiss Life Hall
27.10.  Bremen, ÖVB Arena
28.10.  Dortmund, Westfalenhalle
30.10.  Hamburg, Uebel und Gefährlich
31.10.  Hamburg, Sporthalle
02.11.  Berlin, Max-Schmeling-Halle
03.11.  Leipzig, Arena Leipzig
04.11.  Frankfurt, Festhalle



"Keine Nacht für Niemand" erscheint am 2. Juni bei Vertigo/Berlin
Tickets für die Hallentour über https://krasserstoff.com/tickets
Foto (oben) von Philipp Gladsome

Josefine Simonsen ist 19 Jahre alt und lebt in Leipzig. Das Abi ist seit letztem Jahr durch, seither zählen nur noch die zwei großen Leidenschaften Tanz und Musik. Josefine arbeitet in einem Tanzstudio und unterrichtet dort Kinder- und Jugendgruppen. Wohin die Reise dann wirklich geht, wird sich zeigen, vielleicht eifert sie ja doch ihren Eltern nach, die beide als Journalisten beim MDR arbeiten. Musikalisch zählen zur Zeit neben - klar: Kraftklub - auch noch Marteria, die Glass Animals, Bilderbuch und (ähm...) Ed Sheeran.

The Fall: Falsche Zeit

Puh, was für eine Aufregung. Wenn es nur um das neue Album "New Facts Emerge" von The Fall gegangen wäre, die Nachricht wäre wohl irgendwo zwischen Trump (#covfefe) und Abstieg (#1860) versandet. So aber stellte sich raus, daß unter den elf neuen Songs, die Mark E. Smith ab dem 28. Juli seinem Anhang via Cherry Red präsentieren wird, auch einer mit dem etwas missverständlichen Titel "Victoria Train Station Massacre" zu finden sein wird - dummerweise ist genau das der Name einer U-Bahn-Station in Manchester, in dessen Nähe es kürzlich nach dem Konzert von Ariana Grande zum dem schlimmen Selbstmordanschlag kam. Hat natürlich nix miteinander zu tun, blöder Zufall das, Artwork schon fertig. Hier jedenfalls schon mal Liveaufnahmen mit zwei der neuen Songs ("2nd House Now"/"New Facts Emerge"), aufgenommen am 27. Januar in Southampton.



Chk Chk Chk: Schüttel was du hast!

Chk Chk Chk
„Shake The Shudder“

(Warp Records)

Irgendwie hatte man ja angenommen, spätestens nach dem freakigen Glanzstück „What if“ wäre Schluss mit der ganzen Chose. Falsch gedacht, zählt Bandvorsteher Nic Offer doch nicht nur zu den durchgeknalltesten Typen, sondern auch zu den beharrlichsten Anhängern des Prinzips „Höher-Schneller-Weiter“ und so ist „Shake The Shudder“ nicht weniger als die konsequente Maximierung seines Anliegens, die Clubs dieser Welt mit perfektem Futter zu versorgen. Immer mehr heißt hier die Devise, mehr Funk, mehr Groove, mehr Disco, es pumpt, vibriert und stampft aus jeder Pore dieses Albums – die drei Ausrufezeichen treiben es also auf die Spitze. Ruhepausen sind hier nicht vorgesehen, es variiert nur die Schlagzahl pro Minute, mal House, mal Electro, mal souliger Eurodance oder Synthpop, weil Tanzen einfach die beste Rache ist.



Auf dem noch deutlich gitarrenlastigeren Debüt „!!!“ hatte Offer zur Jahrtausendwende noch gesungen „There’s no fucking rules, Dude“ und das Motto im Laufe der Jahre dann doch mehr und mehr kassiert, denn die einzige Anweisung heißt hier schlicht „Bewegung“. Wie? Egal, da darf man auch gern mal so derangiert aussehen wie Offer selbst auf dem Covershot. Und wenn man er es allein als Mann nicht bringt, holt er sich entweder die passende Verstärkung (mit dabei sind Cameron Mesirow/Glasser, Lea Lea, Meah Pace und Dauergast Molly Schnick) oder mutiert unter dem Künstlernamen Nicole Fayu gleich selbst zur Dragqueen. Wie sang noch mal der weise Reinhold Heil mit Spliff Anfang der Achtziger: „Komm steh auf, geh auf's Parkett, schüttel was du hast, denn du bist kein Brett!“ Der wußte also damals schon, daß es keine andere Lösung gibt. http://chkchkchk.net/

Montag, 29. Mai 2017

DAF: FETT [Update]

Die Nachricht geisterte ja schon letzte Woche durchs weltweite Netz, nun gibt es endlich Belastbares: Am 29. September wird Groenland Records ein richtig fettes Reissue-Packet von DAF ins Regal stellen - unter dem Titel "DAS IST DAF" versammeln sich die vier originalen Vinyl-Scheiben des Duos aus Düsseldorf, weiterhin eine Remix-12" namens "Reworx" und eine 7" mit zwei neuen, bislang unveröffentlichten Stücken (eines davon heißt laut Packshot "Sprache der Liebe"), weiter eine Slipmat, ein Fotobuch plus Autogrammkarte. Und weil Hören immer schöner ist als Schauen, gibt es hier zumindest den ersten offiziellen Schnipsel des Moroder-Remixes von "Mussolini".

Update: Und weil Schauen am Ende dann doch wieder schöner ist als nur Hören, gibt's hier das offizielle Video zum "Mussolini"-Remix.

26.05.  Düsseldorf, FZW
30.09.  Berlin, Astra
11.11.  Hamburg, Markthalle

Dirk von Lowtzow: Hundefreund

Auch wenn das Ding schon erschienen und in der limitierten Vinylversion ohnehin seit der Pressung schon dreimal ausverkauft ist, möchten wir wenigstens das dazugehörige Video teilen: Dirk von Lowtzow, der Genieschädelvon Tocotronic, hat für Martin Hossbachs kleines Berliner Label eine 12" aufgenommen - gewünscht waren Titel von den Pet Shop Boys und Neil Young. Lowtzow hat dann letztendlich "I Want A Dog" und "Beautiful Bluebird" eingesungen und das Cover zur Platte auch gleich noch manufakturiert. Schönes Ding.

Samstag, 27. Mai 2017

Marteria: Der Aufmacher

Marteria
„Roswell“

(Green Berlin/Four Music)

Das Grundübel unserer Tage? Keiner versteht den anderen. Der Linke den Rechten nicht, der Demokrat nicht den Populisten, der Muslim nicht den Christen, der Ossi nicht den Wessi, der Veganer nicht den Fleischfresser, der Spießer nicht den Hool, der Grüne nicht den Banker, der Bürger nicht den Politiker, und und und. Und? Getan wird nicht sonderlich viel dagegen, man redet lieber aneinander vorbei oder schreit sich seinen Frust von der Seele, statt mal die Klappe zu halten und zuzuhören. Wer zuerst da war, hat immer recht, Ende Gelände. Marten Laciny aka. Marteria ist da etwas anders veranlagt. Er hat verinnerlicht, dass Weltanschauung am besten funktioniert, wenn man sich die Welt auch anschaut, sie an sich heranlässt, sich auf sie einlässt. Das kann manchmal ganz schön weh tun, das sind nicht immer die angenehmsten Erfahrungen. Aber wenn man ihm und seiner Musik erst mal diese knappe Stunde geschenkt hat, dann weiß man, wieviel Kraft und Herzensbildung zu finden vermag, wer sich aufmacht. Und zwar im wortwörtlichen Sinn.

Nichts an dieser Platte, da ähnelt sie sehr dem Vorgänger „Zum Glück in die Zukunft II“, ist schwer zu verstehen. Nimm mich, wie ich bin, ich tu‘ dasselbe, sagt sie. Weil Marteria seine Heimat, seine Heimatstadt liebt, singt und rappt er, egal ob nun Rostock oder Roswell, einfach darüber. Ein UFO ist dort zwar noch nicht gelandet, vieles wirkt im Gegenteil erschreckend irdisch, aber es ist der Kindheitsort, die Sehnsuchtsquelle, erster Teil seines nun doch ziemlich großen Lebens. Und der gehört verteidigt. Seine Coverstars sind immer noch bewaffnet, aus Katapult wird Ninjaschwert, Verteidigung der Jugend, Trotz und Beharren gegen dumpfe Gleichgültigkeit, Fantasie gegen graue Tristesse – Alice ihr Wunderland. Er kennt die „Aliens“, die Unverstandenen, er fühlt sich ja selbst wie einer. Doch ist Laciny kein Verachter, eher ein Umarmer, er setzt die Grenzen, doch er setzt sie weit. Menschlichkeit ist Grundgesetz, ist der größtmögliche, gemeinsame Nenner, ist „Links“ – darüber hinaus kann jeder kommen, wie er will.



Man nennt das, so bekloppt das klingen mag, Nächstenliebe. Selbstverständlich, eigentlich.  So selbstverständlich wie die Liebe zur Natur. Die „Welt der Wunder“ ist jetzt die Klage an  „Blue Marlin“, das Meer ein Höllenort und der Mensch die aussterbende Rasse, von der es sich fernzuhalten gilt. Abtauchen, auflösen, wenn’s nur ginge. Der Sound auch auf „Roswell“ wieder in gewohnter Mischung – Marteria bringt für den Titeltrack, „Aliens“ (zusammen mit Arnim Teutoburg-Weiß von den Beatsteaks) oder „El Presidente“ die tighten, die fetten Beats genauso gekonnt unter wie er später bei „Scotty Beam mich hoch“ (s)eine Art Spieldosenpop anstimmt. Vieles aber grollt und rollt dunkel, die ätzenden Las-Vegas-Rhymes („Cadillac“) und noch mehr das Erinnerungs-Double „Große Brüder“/“Skyline mit zwei Türmen“, da sind viel Melancholie und Wehmut im Spiel, große Bilder – vielleicht das Alter, die neue Vaterrolle? Geschenkt, ein Wahnsinniger sei er immer noch, das hat er gerade der Süddeutschen gesagt, nur der Blick ist jetzt klarer. Und so klingt’s denn auch: Geradlinig, bestimmt, mit Spaß dabei, den Ernst der Lage im Blick. Ein Schritt voran für ihn, wieder mal. http://www.marteria.com/

30.11.  Hamburg, Sporthalle
01.12.  Bremen, ÖVB Arena
02.12.  Köln, Lanxess Arena
04.12.  Münster, MCC Halle Münsterland
05.12.  München, Zenith
06.12.  Stuttgart, Porsche Arena
08.12.  Wien, Austria Halle Gasometer
09.12.  Zürich, Samsung Hall
13.12.  Dresden, Messe
15.12.  Hannover, Swiss Life Hall
16.12.  Schwerin, Sport- und Kongresshalle
19.12.  Rostock, Stadthalle
20.12.  Rostock, Stadthalle

Freitag, 26. Mai 2017

Gemischtes Doppel: Vansire vs. Coastal Clouds

Zweierlei bezaubernde Gitarrenmucke zum Wochenausklang, heute aus Minnesota und Santa Monica: Einerseits also das Trio Vansire aus dem Norden der USA (im Bild Josh und Sam), erst im Januar mit der EP "The Rolling, Driftless North" auf dem Schirm. Nun haben Josh Augustin, Sam und Isaac Winemiller mit "Brown Study" schon den nächsten Song im Angebot, der perfekte Song zum Tagträumen. Dazu neues Material von Roberto Rodriguez alias Coastal Clouds aus dem sonnigen Kalifornien, der ganz offensichtlich große Stücke auf Tom Petty hält und dies auch auf seinem aktuellen Stück "Wanna Come Down" nicht verbergen kann.

EMA: Bleibt dabei [Update]

Okay, daß das kein unpolitisches Album wird, kann man schon am Titel der ersten Single ablesen, etwas anderes hatte man allerdings von Erika M. Anderson aka. EMA auch nicht erwartet: Die Amerikanerin ist ja nicht nur für ihre Vorliebe für Science Fiction und anverwandte Themen, sondern auch für ihre oftmals recht harschen politischen Statements bekannt. Schon die letzte Platte "The Future's Void" aus dem Jahr 2014 war entsprechend gelagert, das am 25. August via City Slang erscheinende Werk "Exile In The Outer Ring" wird ihm, so ist zu vermuten, in nichts nachstehen. Das Video zur Vorauskopplung "Aryan Nation" stammt im Übrigen von Aaron Anderson und Eric Timothy Carlson.

Update: Neues Video zu "Breathalyzer" und auch noch ein paar Konzerttermine für die kleinen Clubs, viel schöner kann das Wochenende doch gar nicht losgehen?

20.09.  Hamburg, Reeperbahn Festival
23.09.  Köln, King Georg
26.09.  Berlin, Berghain - Certain People Festival
27.09.  München, Kranhalle
28.09.  St. Gallen, Palace
29.09.  Zürich, Rote Fabrik



Donnerstag, 25. Mai 2017

Kite Base: Rückbesinnung

Kite Base
„Latent Whispers“
(Little Something)

„Treffen sich zwei Bassistinnen im Studio“ – so könnte auch ein platter Musikerwitz beginnen. In diesem Falle beginnt damit eine Geschichte, die durchaus das Zeug zur Erfolgsstory haben könnte. Zwar hatten sich Ayse Hassan und Kendra Frost, von denen hier die Rede ist, zunächst in die heimischen vier Wände zurückgezogen, durchaus noch unsicher, ob das, was sie da vorhatten, wirklich Sinn machte – so häufig hatte man schließlich von der Kombi Bass/Bass/Computer noch nicht gehört. Doch spätestens als sie ihrerNeubearbeitung des Nine-Inch-Nails-Songs „Something I Can Never Have“ von der Leine ließen war klar, daß mit einer Menge Zuspruch zu rechnen war, allen voran Trent Reznor himself. Es hat dann noch mal ein knappes Jahr und viele kleine Schritte, sprich Singles gebraucht, ehe das Debütalbum an den Start durfte, doch auch wenn die Hälfte der Stücke mehr oder weniger bekannt sind, ist das lang erwartete Komplettwerk nicht weniger reizvoll.



Der knirschende, elektrische LoFi-Post-Punk, den die beiden Damen da anbieten, besitzt alle Zutaten, um ein größeres Publikum anzusprechen – kühle, trockene Beats aus der Dose, feine New-Order-Hooks von ebenda und natürlich fette Bässe an allen Ecken, alles angenehm reduziert und sorgsam austariert. Stilistisch nahe beim Werk einer Schwester im Geiste – auch Warpaint-Bassistin Jenny Lee Lindberg hatte sich hatte sich 2015 mit ihrem Instrument selbstständig gemacht und das, wenn auch weit weniger elektronisch, genauso gut hinbekommen. Kite Base pflegen nicht nur einen dunklen, sondern auch sehr technoiden Klang, Frost, so liest man, kann sich für Drum’n Bass durchaus begeistern und auch Hassan hat in ihrem Brotjob bei den Savages durchaus schon einige Seitenwege ausprobiert.



Wer sich Stücke wie „Miracle Waves“, „Nineteen“ oder „Periphal Visions“ anhört, kann das auch gleich auf der Tanzfläche tun, so zwingend wippen und pumpen diese durch die Boxen, „Grids“ wiederum bringt mit seinen verzerrten Gitarren beider Vorliebe für den Industrial-Sound der 80er und 90er in Erinnerung. Nicht unerwähnt soll die karge, aber sehr elegante Optik des Debüts bleiben, Frost und Hassan eint der Gedanke, daß in einer so ungemein beschleunigten Zeit wie der heutigen Dinge wie Imagination und Phantasie deutlich zu kurz kommen, wenn nicht sogar durch den medialen Overflow regelrecht verkümmern – der kunstvolle Rückgriff auf die japanische Papierfalt-Tradition des Origami soll also Ästhetik, Vorstellungskraft und die Bedeutung der Einfachheit wieder auf den Schild heben. Ein Konzept, das mitsamt dem strukturierten Klangbild erstaunlich gut funktioniert. http://kiteba.se/


The Charlatans vs. Sleaford Mods: Gleiche Klasse

Ehre wem Ehre gebührt. Wobei noch zu klären wäre, wer sie hier wem erweist. Daß die Sleaford Mods nicht viel von übertriebener Heldenverehrung halten, Tim Burgess von Englands Rave-Ikonen The Charlatans aber sehr wohl respektieren, konnte man an verschiedener Stelle schon lesen, daß Burgess im Gegenzug die Mods vor Jahren auf ein von ihm kuratiertes Konzert holte, wissen wir jetzt auch. Da lag eine Zusammenarbeit der beiden Bands tatsächlich irgendwie in der Luft. Morgen nun erscheint mit "Different Days" ein weiteres Studioalbum der Britpopper aus Birmingham und darauf findet sich unter anderem der Song "Plastic Machinery" - und von dem gibt es einen Remix, den Andrew Fearn mal kurz durch seinen Laptop gejagt hat. Klasse Idee!

Mittwoch, 24. Mai 2017

ZIMT: Fast geschafft

Wann hat man es eigentlich geschafft als Band? Erste Konzerte? Erste Aufnahme? Die erste Platte? Oder die verflixte zweite? Headliner, Label, T-Shirt? Nun, bei der Antwort spielt sicherlich der eigene Anspruch eine nicht ganz unwesentliche Rolle - die einen sind erst zufrieden, wenn sie für die Royal Albert Hall gebucht sind oder das Wembley Stadion dreimal hintereinander ausverkaufen, anderen reichen ein erstes Tape und die familiäre Clubatmosphäre für Gänsehaut und Glücksgefühle. Wie die Sache bei ZIMT aus Augsburg liegt, werden wir sicher noch herausfinden, fest steht, daß sie eigentlich schon recht weit gekommen sind. Angefangen 2015 mit einer kleinen 7" "Du kannst so leben wie du willst/Tag verschenken" bei Kleine Untergrund Schallplatten, haben Janina Kölbl, Isabella Theil und Ralf Hess gerade die Veröffentlichung ihres Debütalbums "Glückstiraden" beim nicht ganz unbekannten Dealer Tapete Records verkünden dürfen, für den 9. Juni steht die erste Single "Schwaches Herz" zum Verkauf. Und auch wenn Neues bislang nur in Schnipselkürze vorliegt, klingt der reduzierte Post-Punk der drei auch da schon erfreulich frisch und locker. Keine Frage, daß sicher bald auch eine Tour ins Haus stehen wird.

15.06.  Augsburg, Modular Festival



Dienstag, 23. Mai 2017

Von Wegen Lisbeth: Immer noch grande

So schnell die Zeit: Einen Sommer danach getanzt, jetzt schon wieder vergessen? Keinesfalls, denn zum einen haben sich Von Wegen Lisbeth mit ihrem Debütalbum Grande 2016 ein ganz klein wenig unsterblich gemacht, zum anderen steht ja, so hofft man, bald etwas Neues ins Haus. Denn es wird ja in diesem Jahr, wenn auch recht spät, noch einen Hallentour der Berliner geben und da wird ja dann wohl auch neues Material zu hören sein. Oder!? Hier und heute jedenfalls gibt es noch ein neues Video von der nicht mehr ganz so neuen Platte - "Chérie", gedreht von Dominik Zschäbitz und Sophie Lakow.

27.09.  Berlin, SO36 (ausverkauft)
28.09.  Berlin, SO36 (ausverkauft)
29.09.  Leipzig, Täubchenthal
30.09.  Dresden, Alter Schlachthof
02.10.  Zwickau, Altes Gasometer
03.10.  Kassel, 130bpm
05.10.  Erlangen, E-Werk
06.10.  Ingolstadt, Eventhalle Westpark
07.10.  Wien, WUK
08.10.  München, Muffathalle
10.10.  Ulm, Roxy
11.10.  Frankfurt, St. Peter
12.10.  Köln, E-Werk
14.10.  Karlsruhe, Tollhaus
17.10.  Trier, Tuchfabrik
18.10.  Dortmund, FZW
19.10.  Hannover, Capitol
20.10.  Bremen, Schlachthof
21.10.  Rostock, Mau

Silverbacks: Irische Indianergeschichten

Sie haben sicher nichts dagegen, wenn man sie mit so alterehrwürdigen Größen wie Sonic Youth in einem Atemzug nennt - schließlich gibt es weitaus schlechtere Vergleiche. So, wie die Silverbacks aus Dublin losrocken, ist der Bezug jedenfalls naheliegend. Auf dem Bandfoto des vergangenen Jahres, hier für die feine EP "No Duds Club" gepostet, waren noch drei von vier Personen zu sehen, man hat also um eine erweitert und gleich mal mit "Sink The Fat Moon" eine neue EP am Start. Alles ganz wunderbar kracherter Noiserock mit Hang zum dissonanten Experiment, ganz im Sinne der besagten Vorbilder also. Fünf Stücke sind auf dem Kurzformat zu hören, "The Great Father" thematisiert auf sehr unterhaltsame Weise das außereheliche Liebesleben von Bill Clinton, die Bassline der Single "Dirty Money" haben sie sich laut Selbstauskunft von den Pixies geborgt und das Schlußstück "Holiday In Cambodia" ist alles, nur keine Hommage an die Dead Kennedys. Auch Cover und Titel können leicht mißverstanden werden, es geht hier nicht vordergründig um dicke, kahle Männerköpfe, die als feiste Mondgesichter unters Wasser gehören - vielmehr soll hier Bezug auf den amerikanischen Autor Dee Brown und sein berühmtes Buch "Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses" genommen werden, welches die Bandmitglieder durch die Bank während der Arbeit an der Platte gelesen haben wollen. Nun ja, wer's glaubt. Am Ergebnis gibt es jedenfalls, Indianer hin, Mond her, nichts zu meckern.

Fearing: Untergrund

So, jetzt zur Abwechslung wieder mal etwas gänzlich Düsteres: Für Fearing, ein Quartett aus dem kalifornischen Oakland, ist die dortige Sonne offensichtlich nicht erfunden worden, die Männer um Sänger James Rogers geben sich derart spaßfrei, daß man fast versucht ist, ein weiteres Revival des Gothrock auszurufen (wo doch das letzte noch gar nicht so lange her ist). Abgrundtiefe Stimme, flackernde Minimalbeleuchtung, Bass und Gitarren direkt aus dem Untergrund - so zumindest hört sich die aktuelle Single "Another Night" der an diesem Freitag erscheinenden EP "A Life Of None" an - natürlich nirgendwo anders als bei Funeral Party Records.

Sløtface: Nicht ganz so brav [Update]

Okay, Haim waren heute sicherlich ein Knaller. Aber so gut sie klingen - ein wenig brav sind sie eben schon. Da passt es ganz gut, daß wir mit Sløtface noch eine Band für heute in petto haben, die etwas wilder ist. Die Norweger um Leadsängerin Haley Shea hatten ja im vergangenen Jahr eine Reihe vielversprechender Songs veröffentlicht, nun ist für den 15. September endlich ihr Debütalbum "Try Not To Freak Out" angekündigt und mit "Magazine" gibt es davon auch gleich die erste Single zu hören.

17.09.  Berlin, Musik und Frieden
19.09.  Köln, MTC
21.09.  Hamburg, Reeperbahn Festival
24.09.  Wiesbaden, Schlachthof
26.09.  München, Strom 

Update: Ersetzen wieder mal Ton durch Bild - hier ist das Video zur Single + Coverart des Albums.


Montag, 22. Mai 2017

Pumarosa: Universell

Pumarosa
„The Witch“

(Caroline/Universal)

Es gab und gibt ja in Kunst einige wenige Universalgenies, denen es vergönnt war bzw. ist, stilistisch auf verblüffend vielfältige Weise zu glänzen. Maler, bei deren Oeuvre man also das Gefühl hat, es versammle nicht das Werk eines Einzigen, sondern das mehrerer Genies verschiedener Epochen; Filmregisseure á la Spielberg, die in sämtlichen Genres zur Hochform auflaufen oder Schriftsteller wie beispielsweise der bewundernswerte David Mitchell, der dem Leser mit jedem seiner Romane einen weiteren Kosmos mit einer neuen Sprache erschließt oder dies im allerbesten Falle gleich mehrfach zwischen zwei Buchdeckel zu packen vermag. Und auch wenn die Haare, an denen dieser Vergleich herbeigezogen wird, ziemlich lang sind – nicht anders verhält es sich mit dem vorliegenden Album.



Denn dem Londoner Quintett Pumarosa gelingt es auf unvergleichliche Art, verschiedenste Facetten und Gesichter auf die Spiellänge einer knappen Stunde zu verdichten. Da hätten wir den fein verschränkten Synthpop von „Dragonfly“, knorrige Post-Punk-Gitarren bei „Honey“ und die ausufernde Psychedelik von „The Witch“. Der hypnotische Flow samt wunderbarem Saxophonsolo der Vorabsingle „Priestess“ nimmt sich mit siebeneinhalb Minuten genausoviel Zeit, wie er eben braucht, „Lions Den“ gemahnt mit schwermütigem Piano-Intro an einen Radiohead-Song aus Kid-A-Zeiten wie das darauffolgende „Gruesome“ an den unbeschwerten Indierock der Neunziger. Es fehlen nicht die funkigen Gitarrengrooves („Red“), Drum’n’Bass-Beats („Hollywood“) und nervöse Jazz-Anklänge beim abschließenden „Snake“.

Zuviel des Guten? Keinesfalls. Denn ähnlich wie der Maler mit Pinsel und Leinwand bringen es die Musiker von Pumarosa mit der bezaubernden Sängerin Isabel Munoz-Newsome bei jedem ihrer Stücke zu erstaunlicher Perfektion, gerade so, als hätten sie ihren Lebtag nichts anderes gemacht als jenen Sound in diesem einen Moment. Wer mag, darf sich gern ein paar Verbindungsglieder erschließen, welche die Vielfalt zusammenhalten: Die Melancholie und zeitweise Düsternis vielleicht, die durch die Stücke schimmern (und sie manchmal nahe an den Gothrock bringen) oder vielleicht die Rolle der Frau als geheimnisvolles, kämpferisches und angreifbares Wesen, im hypnotischen Doppel aus Titelsong und „Priestess“ thematisiert. Viel mehr an Mut und Inspiration läßt sich (genreübergreifend, wenn man so will) zur Zeit kaum hören.

Donnerstag, 18. Mai 2017

Love A: Schreiende Ungerechtigkeit

Love A
„Nichts Ist Neu“

(Rookie Records)

Für Verlierer ist normalerweise nichts zu holen. Der letzte, für den mehr heraussprang als ein Blumentopf, war ein linkischer Schlacks namens Beck Hansen und fragte „I’m a loser baby, so why don’t you kill me?“ Fünfundzwanzig Jahre ist das mittlerweile her, geändert hat sich seitdem nichts. Was Wunder also, daß eine so gute Band wie Love A aus Trier wahrscheinlich auch mit dem vierten Album keine allzu großen Bäume ausreißen wird. Fair ist das nicht. Hier paßt er mal, der Begriff der „schreienden Ungerechtigkeit“. Denn was in der Kriminologie das Übertöten, das ist bei Love A und ihrem so leidenschaftlichen Frontmann Jörkk Mechenbier das Überschreien. Da muß alles raus, der ganze Frust, die Abscheu, die Enttäuschung. Seit ihrem Debüt „Eigentlich“ aus dem Jahre 2011 hat sich an den Songs nichts Wesentliches geändert, Punkrock im Grenzbereich, schnell, kraftvoll, stets am Anschlag. Wer da wen vor sich hertreibt – Stimme den Sound oder umgekehrt – ist eigentlich egal, die Welt ist zu schlecht, um stillzuhalten und weil sie nicht besser wird, werden auch Love A nicht leiser.



Und die Mängelliste ist lang: Man lebt nebeneinander her, ohne sich zu kennen, die Entfremdung nimmt zu und das Scheitern ist Alltag („Nachbarn II“), die Gedanken und Gesänge von gestern sind heute dank Petry Heil und Adolf Wundermann buchstäblich wieder brandaktuell („Unkraut“), der „Sonderling“ wird verlacht (obwohl wir uns doch alle die kleine Wohlfühlnische wünschen), der oder das Deutsche nervt generell („Löwenzahn“) und „am Ende des Tages sind wir alle gefickt“, stolpern einfach weiter und haben uns ans Verlieren schon lange gewöhnt. Richtig glücklich ist hier niemand, keiner leidet so schön wie Mechenbier und der einzige Trost ist, daß eben das dazugehört zum Leben: „Wir müssen Risse haben, damit das Licht hineinkann, wir müssen Kanten haben, damit es Risse gibt“ („Kanten“). Wie er seine Zeilen über den Münchner Stenz, den „Monaco“-Franze meint, bleibt im Ungefähren, da paßt der Unmut nicht so recht zum Charme des Protagonisten. Egal, man würde ihnen wünschen, daß die Wut sich auch mal auszahlt, endlich. http://love-a.de/

24.05.  Hamburg, Molotow
25.05.  Düsseldorf, Zakk
26.05.  Wiesbaden, Schlachthof
27.05.  Leipzig, Conne Island
01.07.  Trier, Sommerbühne Ex-Haus
14.07.  Dortmund, Youth Brigade Festival
29.09.  Hannover, Faust
30.09.  Flensburg, Volksbad
01.10.  Rostock, PWH
02.10.  Bremen, Tower

Holy Boy: Immer noch frostig

Aus dem norwegischen Bergen ins kalifornische Los Angeles - ein ziemlich weiter Weg, den Helene Jæger da unternommen hat: Ihre Herkunft kann die Dame allerdings kaum verleugnen, denn die Musik, die sie unter dem Pseudonym Holy Boy macht, klingt doch sehr nach frostigen Nächten im oberen Teil der Nordhalbkugel. Solistisch vor einem Jahr mit dem Song "15 Billion Miles" in Erscheinung getreten, kommt nun das mächtig bollernde "Lay Your Hands" hinterher - der Track stammt von ihrer ersten EP, die am 9. Juni via Native Habitat erscheinen soll.

Mittwoch, 17. Mai 2017

Marika Hackman: Der Ernst der Lage [Update]

Man müßte schon längere Zeit suchen, wollte man ein Bild finden, wo sie nicht ganz so finster dreinschaut: Marika Hackman ist also mit ihren 25 Jahren ein größtenteils ernstes Mädchen. Was einer Folkmusikerin, die mit "We Slept At Last" schon ein hochgelobtes Album herausgebracht hat, sicher ganz gut zu Gesicht steht. Keine Frage, daß da mehr kommen soll und so ist für den 9. Juni das zweite Werk der Londonerin geplant - "I'm Not Your Man" kann bislang zwei Songs als Hörprobe vorweisen, hier also "Boyfriend" und ganz aktuell "My Lover Cindy". Und wer gut aufgepaßt hat, der weiß, dass Hackman hier im vergangenen Jahr schon wegen ihres Duetts mit dem ebenfalls verheißungsvollen Oscar Scheller aufgetaucht ist ("Only Friend").

Update: Und hier ist das Video zur aktuellen Single, gedreht hat den Clip Sam Bailey von der befreundeten Band Francobollo - sehr strange. Dazu kommt mit "Violet" ein weiterer Track vom neuen Album.



Dienstag, 16. Mai 2017

OMD: Noch nicht fertig

Nicht ganz so lange im Rennen wie die Sparks, aber auch schon etwas Patina angelegt haben Orchestral Manoeuvres In The Dark, kurz OMD. Eigentlich galt das Wave-Duo 1998 ja schon als endgültig beerdigt und die Stammplätze mit den immergleichen Songs auf den unvermeidlichen Hitsamplern waren fix gebucht. Doch Andy McCluskey und Paul Humphreys hatten offenbar keine Lust, die 80er auf immer und ewig abzufeiern und so nahmen sie 2006 die Arbeit für zwei leidlich erfolgreiche Alben wieder auf. Am 1. September soll nun via White Noise Records das nächste folgen, "The Punishment Of Luxury" erhielt seinen Titel nach einem Gemälde des italienischen Malers Giovanni Segantini und wird zwölf neue Songs enthalten, den ersten Vorgeschmack gibt es mit "La Mitrailleuse" gleich vor Ort und ab November auf Deutschland-Tour.

25.11.  Erfurt, Traumhits Festival
26.11.  Hamburg, Große Freiheit
28.11.  Berlin, Huxley's Neue Welt
29.11.  Leipzig, Haus Auensee
30.11.  München, Tonhalle
02.12.  Offenbach, Stadthalle
03.12.  Düsseldorf, Mitsubishi Electric Hall

Gemischtes Doppel: The Japanese House vs. Babeheaven [Update]

Selten hat man die Gelegenheit, gleich zwei tolle Bands mit zwei tollen Songs in einem Post anzupreisen. Bei den beiden folgenden macht das durchaus Sinn, denn Amber Bain alias The Japanese House und Babeheaven werden bald für acht Termine in England die Bühne teilen. In Vorbereitung also das folgende Material: Bain hat für den 16. Juni ihre bislang vierte EP angekündigt, die erste Single daraus, "Saw You In A Dream" (produziert mit George Daniel/1975), stellen wir jetzt vor. Die wunderbaren Babeheaven wiederum, hier schon mit ihren Songs "Moving On" und "Ode To Dom" gewürdigt, haben sich für ihren Neuling "Your Love" mit Deem Spencer zusammengetan - Hammersong!

Update: Gute Gelegenheit, noch mal auf beide Bands und Songs hinzuweisen, denn sowohl The Japanese House als auch Babeheaven haben nun die passenden Videoclips parat.

The Japanese House (solo)
02.05.  Hamburg, Prinzenbar
03.05.  Berlin, Privatclub
06.05.  Wien, Chelsea
07.05.  Zürich, Papiersaal



No Vacation: Mögliche Urlaubsbekanntschaft [Update]

Das Leben kann manchmal ziemlich ungerecht sein. Immer dann nämlich, wenn man sich mal entspannen möchte, der Geist hinwegdämmert und auch sonst alles schön im Fluß ist, kommt garantiert von irgendwo eine Stimme daher mit dem denkwürdigen Schlußsatz: "Wir sind doch hier schließlich nicht im Urlaub!" Um wievieles härter muß diese Ermahnung junge Leute treffen, die in San Francisco aufgewachsen sind, in der Sonnenstadt schlechthin also. Sab Mai, Marisa Saunders, Nat Lee, Harrison Spencer und James Shi zum Beispiel. Doch unterkriegen lassen die sich davon nicht. Sondern gründen einfach eine Band mit dem Namen No Vacation und schreiben traumhafte Lieder. "Beach Bummer" zum Beispiel, oder "Dreamgirl", eine wunderbare Ode an ein Mädchen mit blauen Knien. Und jetzt eben "Mind Fields". Die Single ist seit Ende Februar im Handel und wir wollen trotzdem darauf verweisen - im Juni soll ihr nächstes Album, Nachfolger für das 2015 erschienene "Amo XO", erscheinen. Genau das Richtige für den Urlaub also.

Update: Den wollen wir gleich weiterreichen - mit "Yam Yam" gibt es einen neuen Song, mutmaßlich von der immer noch im Juni geplanten LP.

Courtney Barnett: Ei mit Hai

Neues von Courtney Barnett ist immer einen Post wert: Die so liebenswerte wie streitbare Australierin hat im Rahmen einer Splitsingleaktion der Labels Milk! Records und Bedroom Suck eine 7" mit dem Titel "How To Boil an Egg" aufgenommen und wenn jetzt jemand energisch dazwischenrufen will "Moment, das Ding kenn' ich doch schon!", dann müssen wir sagen: Jain. Denn der Titel ist tatsächlich eines der ersten Stücke, die Barnett im Alter von einundzwanzig schrieb, für die aktuelle Version hat sie in aber nochmal alle Instrumente neu eingespielt und zwar höchstselbst. Wann der Nachfolger für ihr formidables Album "Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit" (2015) ins Haus steht, wissen wir allerdings noch nicht, dieses Stück steht vorerst nur für sich allein.

Montag, 15. Mai 2017

Fleet Foxes: Gar nicht vergeblich

Schon die erste Kostprobe war im besten Sinne reichhaltig, nun kommt die zweite hinterher: Von ihrem für den 16. Juni angekündigten dritten Album "Crack-Up" haben die Fleet Foxes Anfang März die Vorabsingle “Third of May/Ōdaigahara” veröffentlicht, für die nächste Nummer "Fool's Errand" gibt es nun einen Videoclip, gedreht von des Sängers Robin Pecknolds Bruder Sean. Und weil es gerade so gut paßt, kommen hier noch drei der lang erwarteten Livetermine hinterher.

12.11.  Hamburg, Docks
13.11.  Berlin, Columbiahalle
01.12.  Köln, Live Music Hall

Cigarettes After Sex: Endzeitstimmung [Update]

Über den betörenden Charme der Musik von Cigarettes After Sex, einer vierköpfigen New Yorker Kapelle, haben wir hier ja schon geschwärmt, von dem tiefschwarz gefärbten Pop gab es bislang eine EP zu hören, nun soll am 9. Juni via Partisan Records endlich ihr Debütalbum folgen. Darauf enthalten neben dem letztens vorgestellten Song "K." auch die neue Single "Apocalypse", erfreulicherweise kommen die vier Herren auch gleich noch auf ein paar Termine vorbei.

11.04.  Berlin, Heimathafen Neukölln
12.04.  Hamburg, Knust
26.04.  München, Technikum
27.04.  Wien, Flex
03.08.  Luhmühlen, A Summer's Tale
06.11.  Köln, Kulturkirche
04.12.  Zürich, Plaza
06.12.  Berlin, Astra

Update: Ein weiterer Song erreicht uns heute - hier kommt "Each Time You Fall In Love", dazu noch drei neue Termine für das spätere Jahr.



Woman: Nicht an jeder Ecke

Woman
„Happy Freedom“
(Asmara)

Fast ist man versucht sich zu entschuldigen, weil man dem Kölner Trio nach Anhören ihrer vorzüglichen Single „Control“ Soulambitionen angedichtet hatte. Natürlich spielen Woman keinen Soul, ebensowenig wie Funk, Progrock, Synthpop oder Dance. Jedenfalls nicht ausschließlich. Denn was die Musik von Manuel Tran, Milan Jacobi und Carlos Hufschlag auszeichnet, ist die Fähigkeit, mit all den genannten Stilen so gekonnt zu jonglieren, daß es schwerfällt, diese Mixtur in eine einzige Schublade zu stecken. Das kann bisweilen auch gewaltig schiefgehen, man kann sich verzetteln und einen Gemischtwarenladen in Discountergröße aufbauen – die drei tun zum Glück das nicht. Der Sound von Woman ist angenehm ausbalanciert, geschmeidig und vertrackt zugleich, eigentlich finden sie immer einen Dreh, die Songs weder beliebig noch anstrengend klingen zu lassen.



Daß Zebo Adam, der Mann hinter den österreichischen Durchstartern Bilderbuch, seine  Finger an den Reglern hatte, läßt sich unschwer heraushören, ein Stück wie „Love“ hätte mit seinen breitbeinigen Gitarrenriffs plus ein wenig mehr Schmäh durchaus auch auf der letzten Platte der Wahlwiener Platz gefunden. Auch andere Bezüge sind mit Bedacht, aber aller Deutlichkeit gewählt – Pink Floyd schimmern passenderweise in einem Track namens „Money“ durch die Saiten, für Moroder, Zoot Woman und The Whitest Boy Alive bleibt bei „Marvelous City“ und „Concrete Jungle“ genügend Assoziationsspielraum, später darf man noch die Pronomen Space-, Post- und Art- in die Rock-bzw. Popkiste packen. Alles klug gemacht, Feinmechanik quasi, sämtliche Rädchen und Schräubchen sitzen und funktionieren an der richtigen Stelle und dank häufig eingestreuter, angenehm vertrauter Funkrhythmen kommt selbstredend der Tanzboden nicht zu kurz.

Damit aus dem Ganzen kein allzu ausgelassenes Fest wird (was man bei dem Titel ja durchaus vermuten könnte), geht es textlich eher besinnlich zur Sache, dem Netzmagazin Diffus haben sie kürzlich in den Block diktiert, daß sie sich sehr wohl Sorgen um die politische Kultur und das Stimmungsbild in diesem Lande machen, insofern sind der fiese Bassbeat aus „Khung-Bo“ oder die Schwermut mancher Zeile keine Ausrutscher, sondern die Folge betonter Nachdenklichkeit. Soll heißen, so „happy“ ist die grenzenlose Freiheit nicht zu haben und hat man sie erst einmal, dann will auch verteidigt werden. All diese Dinge unter einen Hut zu bringen ist schon eine beachtliche Leistung, die – mit Verlaub – hierzulande in dieser Qualität nicht an jeder Straßenecke zu finden ist.

Freitag, 12. Mai 2017

Feist: Gegen die Schwerkraft

Feist
„Pleasure“

(Polydor)

Das Leben zwischen den Extremen ist bekanntlich kein einfaches. Aber eben auch kein langweiliges. Wer also mit Eintönigkeit, Vorhersehbarkeit und Langeweile nicht viel anzufangen weiß, lebt und liebt den Überschwang, in die eine und in die andere Richtung. Für den geht es nach oben wie nach unten gleichermaßen. Auch die Kanadierin Leslie Feist kennt die Tücken des Auf und Ab, die Versuchung, nicht alles und jeden an sich heranzulassen, das Leben auf Abstand zu halten. Und hat darüber auf ihrem aktuellen Album, das nicht nur Vergnügen heißt, sondern auch ein großes ist, den passenden Song geschrieben: „As long as I stay closed like that, secretive to stay intact. Well that is not fun, that’s why I couldn’t trust anyone at all“ heißt es dort, und weiter: „I was living in extremes and everything that that means … So I got high and I got low.” Die ganze Platte ist hin- und hergerissen, zwischen zartesten Folkpop-Melodien mit zerbrechlichem Gesang in traurig versonnener Melancholie, und verzerrten Gitarrenriffs, sich überschlagender Stimme, wilder Selbstbehauptung. Ein Spiegel ihrer selbst, so kann man es deuten.

Schon der Titelsong, begleitet von Chilly Gonzalez am Klavier, tastet vorsichtig und rockt rotzig zugleich, sie trauert der alten Liebe rührend hinterher (“I Wish I Didn’t Miss You”) und beschwört die neue gleich im Anschluss (“Any Party”), gibt der Sehnsucht nach Einfachheit wunderbare Worte auf den Weg (“Baby Be Simple”) und weigert sich, dann wegzulaufen, wenn es wieder hinab geht. Überhaupt, die Düsternis, sie klingt öfter an auf “Pleasure” als man es von ihren früheren Alben kennt. Die Zeilen von “The Century”, wieder begleitet von Gonzalez und unterstützt vom erzählerischen Bass des Jarvis Cocker, führen in eine Seele, der die dunkle Seite des Mondes nur allzu bekannt ist: “Almost as long as one of those endless dark nights of the soul, those nights that never end, when you believe you'll never see the sunrise again, when a single second feels like a century…” All das illustriert mit Chorgesängen und bemerkenswert vielschichtigen Arrangements, produziert von Langzeitbegleiter Dominic Salole alias Mocky und Renaud LeTang – emotional, dünnhäutig, trotzdem stark. “The experience of pleasure is mild or deep, sometimes temporal, sometimes a sort of low grade lasting, usually a motivator. If the way you look at things is how they look then my motivation is to look with a brighter eye”, so Feist über das Thema ihres Albums. Das Bemühen, diese Sicht der Dinge in ihre Songs zu übersetzen, ist hier trotz aller Schwere jederzeit spürbar und macht sie zu einer Ausnahmeerscheinung. http://www.listentofeist.com/

20.07.  Mainz, Zitadelle
24.07.  Berlin, Tempodrom
02.08.  München, Circus Krone
19.08.  Winterthur, Steinberggasse

Die Liga der Gewöhnlichen Gentlemen: Schnellstmöglich

Damit war so schnell nicht zu rechnen, da haben sie einen kalt erwischt: Das Hamburger Swingkommando Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen werden doch tatsächlich am 14. Juli ein neues Album veröffentlichen, und das, wo doch das alte noch gar nicht so alt ist. Macht man sowas? Tja, wenn man es sich leisten kann... Elf neue Songs stehen bereit, über die Landesgrenzen hinaus für Furore zu sorgen und selbst die Ankündigung, dass es sich bei "It's OK To Love DLDGG" um ein Konzeptalbum handeln soll (normal ja: Igitt!), kann die Begeisterung kaum bremsen. In der geradezu euphorischen Vorabproklamation des Labels Tapete Records ist von vielen Gästen die Rede, es fallen Namen wie Andreas Dorau und Lloyd Cole, potzblitz! Und ein Tour, ja auch die soll es geben und zwar ganz bald - daß München (wir erinnern: Heimat von Werner Enke!) nicht mit auf dem Zettel steht, kann sich nur um einen ärgerlichen Praktikantenfehler handeln und ist vielleicht dem Umstand geschuldet, daß dieser das heimelige Atomic Cafe auf der Booking-Suche nicht finden konnte. Wird hoffentlich schnellstbaldmöglichst korrigiert!

14.07.  Hamburg, Hafenklang
15.07.  Berlin, Monarch
13.09.  Bielefeld, Nr.z.P.
14.09.  Hannover, Bei Chez Heinz
15.09.  Köln, Gebäude 9
16.09.  Wolfsburg, Saunaclub
29.09.  Leipzig, Naumanns im Felsenkeller
30.09.  Mainz, Schon Schön
01.10.  Karlsruhe, KOHI
02.10.  Stuttgart, Goldmarks
12.10.  Düsseldorf,Tube
13.10.  Aachen, Raststätte
14.10.  Münster, Gleis 22



Thurston Moore: Vorerst kein Bedarf [Update]

Mittlerweile sollte sich ja jede noch so kleine Hoffnung, es würde sich mit Sonic Youth endlich mal die richtige Band zu einer Reunion entschließen, zerschlagen haben - Lee Ranaldo, Kim Gordon, Thurston Moore, bei allen läuft es solo soweit prima und so wird es wohl auf absehbare Zeit keine weitere Zusammenarbeit ergeben. Apropos Moore: Der hat gerade sein fünftes Soloalbum via Caroline/Universal mit dem Titel ""Rock'n Roll Consciousness" angekündigt, am 28. April soll die Platte mit ganzen fünf neuen Stücken erscheinen, eines davon "Smoke Of Dreams" gibt es hier schon als Videoclip, mit dabei im Studio waren im Übrigen auch Debbie Googe (My Bloody Valentine) und SY-Drummer Steve Shelley.

Update: Ein neuer Clip zum aktuellen Album macht die Runde - hier ist "Aphrodite" mit gut acht Minuten Spielzeit.

20.06.  Hamburg, Knust
21.06.  Köln, Stadtgarten
28.06.  Zürich, Bogen F
30.06.  München, Strom
04.07.  Dresden, Beatpol



HAIM: Hype on! [Update]

Auf den Tag hatten ja schon viele hingezittert: Die Geschwister HAIM, clevere Mädchenkombo mit einer ziemlich sagenhaften Debütplatte im Portfolio, hatten in den vergangenen Tagen ja schon kräftig für ihr bald anstehendes, neues Album getrommelt, nun lassen sie zumindest mal die erste Single "Right Now" aus dem Sack und die darf schon mal als sehr gelungen gelten. Der Rest folgt dann garantiert scheibchenweise in den nächsten Stunden. Hype on!

Update: Zum Weiterhypen gleich noch einen neuen Song - hier kommt "Want You Back". Oder, wie heißt es auf den neuen T-Shirts so treffend: Go Haim Or Go Home!



Donnerstag, 11. Mai 2017

Sleaford Mods: Grund zur Beschwerde

Sleaford Mods
Support: Pisse, Mark Wynn
Freiheiz, München, 10. Mai 2017

Da hat doch tatsächlich gerade ein eifriger Lokaljournalist versucht, für eine Konzertankündigung den bayerischen Grant und den englischen Rant zu verbandeln, was rein buchstabentechnisch eine tolle Idee ist, sonst aber schiefgehen muß. Denn die unwirsche und derbe Beschwerde über alles und jeden ist den hiesigen Ureinwohnern quasi in die Zirbelholzwiege gelegt, ist ein Wesenzug, der keinen konkreten Anlass braucht – der Bayer grantelt halt, weil er muß. Die Wut und der Furor der beiden Burschen da oben auf der Bühne, von denen ja eigentlich nur der eine, also Jason Williamson, wirklich verhaltensauffällig am Fluchen und Schimpfen ist, haben sehr wohl ihre aktuellen Gründe und es ist anzunehmen, daß die Sleaford Mods nicht halb so populär wären, würden in ihrem Heimatland nicht eine Reihe gewissenloser Geschäftemacher und politischer Autodidakten die Tagesgeschäfte bestimmen und eben jenes Land in Grund und Boden regieren. Insgeheim ist man also fast froh, daß es ehemals Cool Britania anhaltend schlecht geht, kommt man doch so in den genug übelst gelaunter und deshalb vorzüglicher Modmucke.

Obwohl die beiden Herren ihre schlechte Laune natürlich ständig vor sich hertragen (es sei denn, irgendein Idiot meint, seinen vollen Bierbecher über Andrew Fearns Laptop ausgießen zu müssen), zwischendrin präsentieren sich die zwei durchaus launig. Williamsons Gestik changiert ohnehin zwischen gockelhafter One-Man-Show (gern auch mit Grunzen und Bellen garniert) und seinen markanten, scharfzüngigen Rap-Tiraden, bei denen man sich gleichermaßen Sorgen um seinen Gemütszustand und die Haltbarkeit der Stimmbänder macht. Umsonst, der Mann ist fernab der Bühne, das weiß man, ein kluger, besonnener und sehr reflektierter Kopf mit viel Humor und großem Herzen. Anhänger haben die Sleaford Mods jedenfalls auch in München reichlich gesammelt, nach dem letztjährigen Auftritt im beengten, aber charmanten Feierwerk nun also mit neuem Album der geräumige Mehrzwecksaal, viel Platz für die Moshpit also – vorzugsweise zu Killertracks wie „T.C.R.“, „Jolly Fucker“, „Tweet Tweet Tweet“, „BHS“ und „Jobseeker“. Natürlich wären ein paar Minuten obendrauf (bei knapp einer Stunde netto) schön gewesen – ehrlicherweise würde man selbst aber bei einem solchen Auftritt nach spätestens drei Songs völlig entkräftet ins Publikum kippen. Also ein letztes Mal „Tied Up In Nottz“ angestimmt und raus mit Applaus. Und hoffen, daß der Laptop gehalten hat und die beiden auch in der kommenden Saison noch Bock auf Bavaria haben …

Swimming Tapes: Gegengewicht

Und damit da ja kein Ungleichgewicht entsteht, wollen wir der Dunkelheit schnell etwas Helles entgegenstellen: Passenderweise haben die Swimming Tapes, Londoner Dauergäste bei MPMBL, eine neue Single parat - "Queen's Parade" stammt von einer neuen EP, die das Quintett gerade über Hand In Hive Records angekündigt hat - mehr dazu bald wie gewohnt an gleicher Stelle.

Lød: Keine Schlafmützen

Natürlich hat man, hört man sich diesen Song an, sofort Mr. Murphy und sein gerade erst zu neuem Leben wiedererwecktes LCD Soundsystem im Kopf: Aber das sind nicht die einzigen, die einem während der achteinhalb Minuten in den Sinn kommen - auch das schwedische Krautrock-Kollektiv Audionom, leider zur Zeit nicht aktiv, meldet sich aus dem persönlichen Langzeitspeicher. Lød jedenfalls stammen aus Kopenhagen und bestehen aus den Musikern Søren Gade (Gesang), Mads Uldum (Schlagzeug), Sebastian Kjær (Bass), Anders Andersen (Keyboards) und Erik Thøgersen (Gitarre), der feine Track "Folder" stammt von der Debüt-EP der Band, die am 30. Juni via Tough Love erscheinen soll. Klar, daß wir da dranbleiben. Ach ja, eins noch: Bitte nicht mit dem gleichnamigen Einrichtungshaus verwechseln, für Bettwäsche sind die Herren kaum zuständig...