Freitag, 30. Juni 2017

St. Vincent: Zukunftsangst on Tour [Update]

Das eine ist ohne das andere selten zu bekommen. Wenn also Annie Clark aka. St. Vincent eine große Tour unter dem Titel "Fear The Future" ankündigt, dann wird auch das dazu passende Album nicht weit sein - so hoffen wir jedenfalls. Zwar bekommt im deutschsprachigen Raum einzig das Berliner Huxleys den Zuschlag, aber wenn den eine Platte nachkommt, kann man die sicher auch im Rest der Republik kaufen.

26.10.  Berlin, Huxleys

Update: Von einem Album ist noch nicht die Rede, dafür gibt es ein schöne Liebeserklärung. An wen genau diese geht, ist nicht so ganz klar, heißt "New York" und klingt fein.

"New York isn't New York
Without you, love...
I have lost a hero
I have lost a friend
But for you, darling
I'd do it all again."



Donnerstag, 29. Juni 2017

The Duke Spirit: Die Hoffnung früher Tage

Noch eine neue Platte, auf die sich nicht wenige Hoffnungen richten: The Duke Spirit, die Kapelle um die ziemlich wunderbare Liela Moss, schicken sich an, am 18. August mit "Sky Is Mine" ihr nächstes Album zu veröffentlichen - böse Zungen behaupten, viel schlechter als der Vorgänger "KIN" (2016) könne es kaum werden. Wieviel Potential die Londoner Band hat, weiß, wer sie zu Zeiten ihres Debüts "Cuts Across The Land" live gesehen hat. In der Hoffnung, daß jetzt wieder mehr Schmackes drin ist, gibt es hier schon mal vorab die erste Single "Magenta"

Liars: Weinende Brunnen

Solche Ankündigungen sind ja immer die liebsten: Die Liars, von denen mittlerweile nur noch Angus Andrew als tüllgeschmückte Braut übriggeblieben ist, geisterten ja schon mit diversen Teasern durch die einschlägigen Portale, nun gibt es ein paar griffige Fakten mehr. Das neue Album, denn um ein solches geht es, wird "TFCF" heißen (was soviel wie Theme For Crying Fountain bedeuten soll) und am 25. August bei Mute Records erscheinen. Und weil es ohne erste Hörprobe nicht halb so schön ist, kommt hier mit "Cred Woes" die amtliche Vorabsingle vorbeigeböllert.

24.08.  Berlin, Pop Kultur Festival

The National: Dunkelstens [Update]

Erst geteasert, jetzt amtlich: Am 8. September werden The National ihr neues Album "Sleep Well Beast", die Platte folgt auf die letzte reguläre LP "Trouble Will Find Me" aus dem Jahr 2013. Nicht nur das Cover spricht für ziemlich dunkle Töne, auch Sänger Matt Berninger, nebenbei ja noch für EL VY in Aktion, sagte dem NME, daß mancher Fan wohl überrascht sein würde vom kommenden Werk: "I’m going very dark with the new National record, which is a place I love to go. People have always described our music as dark and say it goes very melancholy, somber places. They haven’t heard anything yet! This next thing is crazy.” Überprüfen können wir das auch gleich, denn mit "The System Only Dreams In Total Darkness" liegt schon die erste Single vor.

21.10.  Hamburg, Elbphilharmonie
23.10.  Berlin, Tempodrom
24.10.  Berlin, Tempodrom

Update: Ein zweiter Song, ein zweites Video - diesmal vom Konzeptkünstler Casey Reas zu "Guilty Party".



Mittwoch, 28. Juni 2017

Dim Sum: Nicht die Regel

Das darf man schon mal anmerken: Was der Strom aus täglich neuen Musikstücken, die in Wohnzimmern von durchaus ambitionierten Musikheimwerkern verbastelt werden, durch das Netz und seine Musikplattformen spült, ist nicht immer von allerhöchster Güte, gerade bei Dancepop und aufgehübschtem R'n'B gibt es mittlerweile deutlich mehr Masse als Klasse. Da freut es einen, wenn man, wie gerade beim französischen Elektronik-Projekt Dim Sum, auf Anspruch und Qualität trifft. Die Musiker haben schon für Christine And The Queens, Ra Ra Riot, Foster The People und Odesza gemixt und eine Reihe eigener Tracks aufgenommen, nun ist für den Herbst eine neue EP angekündigt - von dieser stammt der hier vorgestellte Song "Right Track (feat. Nina Lili J)". Und der ist, um bei der eigentlichen Bedeutung des Bandnamens zu bleiben, etwas für Herz und Beine gleichermaßen.

Lød: Sonderweg

Lød
„Folder“

(Part Time Records)

Daß die Indiemucke der Achtziger noch nicht an Strahlkraft verloren hat, erkennt man wohl an den unzähligen Nachahmern und Post-Punk-Lookalikes, die sich in den letzten Jahren die Klinken der Clubs in die Hand gedrückt haben – man kann das spitze finden wie die Wombats („Let’s Dance To Joy Division“) und The Divine Comedy („At The Indie Disco“) oder nervig wie Kraftklub („Scheissindiedisko“), aber vorbei kommt daran keiner. Gerade versucht ein neuer Sampler mit dem Titel „The Early Days“ dem Rechnung zu tragen, böse Zungen behaupten allerdings, hier würde mit aller Macht und besonders großer Klammer (diese reicht dann von Tuxedomoon über Ideal bis hin zu den Editors) versucht, auch der letzte Cent aus einem gerade recht profitablen Genre zu pressen. Nun, wer’s kauft, wird sicher selig.

Dem dänischen Quintett Lød kann man solche Vorwürfe sicher nicht machen, schließlich sind sie einerseits noch nicht so lang auf der Bühne, zudem ignorieren sie frech die wichtigste Marketingregel, nach welcher man sich für den internationalen Erfolg unbedingt der englischen Sprache bedienen sollte und singen drei ihrer Debütsongs in ihrer Landessprache ein – der vierte bleibt gleich ganz ohne Text. Wer jetzt meint, die 12“ wäre nur ein kurzes Vergnügen, hat sich dankenswerterweise getäuscht, denn sowohl der Eröffnungstrack „Så Blå“ als auch das Schlußstück „Folder“ gehen über die Distanz von zehn Minuten.

Und sie tun das nicht ohne Grund, denn zu den Grundprinzipien der Mischung aus Post-Punk und Krautrock gehört die ausdauernde Repetition, die Aneinanderreihung düsterer Taktformationen also, wie man sie auch von Acts wie LCD Soundsystem oder Hot Chip kennt. Den klarsten Bezug zu Joy Division wiederum lassen das besagte „Folder“ und „Fælled“ erkennen, hier scheppern die verzerrten Gitarren zu dumpfen Drums, wieder und wieder kreist das Soundmantra um Søren Gade Holmgårds angemessen verwaschenen Gesang. Ein großes Vergnügen also diese EP – im Dänischen bedeutet der Bandname im Übrigen soviel wie Sound oder Klang und an dem gibt es, Trend hin oder her, nichts auszusetzen. Es wird spannend sein zu beobachten, wie lange die fünf Herren diesen Sonderweg wohl durchhalten werden. https://lod-folder.bandcamp.com/

Dienstag, 27. Juni 2017

Kendrick Lamar: Bilder des Kampfes




Wieder mal sehr starke Bilder: Jonas Lindström hat das neueste Video von Kendrick Lamar bebildert und herausgekommen ist ein beeindruckendes SloMo-Fotoalbum afroamerikanischer Befindlichkeit im Kampf mit sich selbst und gegen die gesellschaftliche Schieflage - der Song "ELEMENT." stammt natürlich vom grandiosen Album "DAMN." und ist in Zusammenarbeit mit James Blake entstanden.

Widowspeak: Nur das Beste

Die Leisetreter aus Brooklyn sind zurück: Widowspeak sind bekannt für einfühlsame Töne und butterweiche Klänge - sie selbst nennen es "Cowboy Grunge". Vom letzten Album "All Yours" sind aber nicht nur diese in Erinnerung, sondern auch das hübsche Covermotiv, das hier vor Ort zu einer betriebsamen Suchaktion führte. Ähnliches wird es beim neuen Entwurf wohl nicht geben, denn die Abbildung auf der neuen Platte "Expect The Best", die für den 25. August bei Captured Tracks erscheinen soll, sieht nicht ganz so spektakulär aus. Dafür ist der Sound vorzüglich, mit "Dog" gibt es die erste Single samt Video zur Einstimmung.

Montag, 26. Juni 2017

Men I Trust: Kunststück [Update]

Kanada geizt ja momentan nicht mit guten Nachrichten - Kunststück, haben die Nordlichter doch schließlich in Justin Trudeau einen Präsidenten, dessen man sich nicht täglich zu schämen braucht. Ob da jetzt allerdings ein direkter Zusammenhang zur wunderbar leichtfüßigen Popmusik des Trios Men I Trust besteht, müßte an anderer Stelle herausgefunden werden, jedenfalls haben die drei gerade einen neuen Song "You Deserve This" in die Runde geschickt, der den Schluß zumindest nahelegt. Das Cover der Single ist im Übrigen an die kürzlich erschienene LP der Band angelegt, welche als limitierte Version unbemalt mit einer Packung Bundstiften ausgeliefert wurde - eine Art Illustrationsvorschlag also.

Update: Durch's Bluemfeld in die Weiten des weltweiten Netzes - auch das Video zum Song wirkt ähnlich versonnen und verträumt wie die Musik selbst.



Samstag, 24. Juni 2017

Familienalbum # 25: Goose

Wieder ein kleine Fleißarbeit, aber aus gegebenem Anlaß: Gerade hat die belgische Synthpop-Formation Goose eine Neubearbeitung ihres Songs "Trip" vom Album "What You Need" online gestellt und ein Blick auf's Cover verrät, daß auch hier die Bezüge bis in die Achtziger hineinreichen. Da nämlich veröffentlichten Depeche Mode ihrerseits mit "A Question Of Lust" die zweite Auskopplung ihrer Platte "Black Celebration" und die Verpackung dazu darf heute als ikonografisch gelten. Entgegen allen Gerüchten war dort aber nicht das damalige vierte Mitglied der Band, Alan Wilder, zu sehen, sondern nur ein junger Unbekannter, der ihm sehr ähnlich sah. Ob sich Goose nun dieses Bild zur Vorlage für ihr aktuelles Stück genommen haben, müßte im Nachhinein noch erfragt werden. Der Kuß jedenfalls, und da wollten wir nicht bis zu seinem alljährlichen Welttag am 6. Juli warten, hat auch bei der Gestaltung von Plattencovern eine große Tradition, da gibt es alles von romantisch über abartig, eklig, ästhetisch bis provokant und leidenschaftlich sowieso. Hier also in gewohnter Weise alle Cover von oben nach unten und links nach rechts.

Goose "Trip", Depeche Mode "A Question Of Lust", Lemonheads "Lick", Bobby Birdman "Heart Caves", Type O Negative "Bloody Kisses", Fairground Attraction "The First Of A Million Kisses", Black Lips "Disconnection", Kate Bush "The Dreaming", The Script "No Sound Without Silence", John Lennon And Yoko Ono "Double Fantasy", Operation Makeout "First Base",  Soft Metals "Soft Metals", Suede "Suede", Suede "Singles", Bass Sultan Hengst "Musik Wegen Weibaz", Scorpions "Love At First Sting", Ariel Pink's Haunted Graffiti "Round And Round", Machineheart "Speak In Tongues", The Jezebels "The Brink", My Bloody Valentine "Glider", Stereophonics "Performance And Cocktails"

Freitag, 23. Juni 2017

FEWS: Alte Helden

Noch schöner als das Bandfoto ist eigentlich die Tafel darunter: Die FEWS stammen ursprünglich aus dem schwedischen Malmö, haben mittlerweile ihren Lebensmittelpunkt aber nach London verlegt. Und zwar ausdrücklich nicht, weil das auch die Geburtsstadt von Gary Numan ist. Dennoch ist die Synthpop-Legende der 80er einer von vielen Fixpunkten, auf die sich die vier mit ihrem Sound berufen, ein Sound, den sie mit POP, also Post Office Punk umschreiben. Ob das jetzt eher ein Fan-Gag ist oder doch ein Körnchen Wahrheit beinhaltet, sei jetzt mal dahingestellt, jedenfalls hat die Band im vergangenen Jahr ihr Debütalbum "MEANS" veröffentlicht und gerade jetzt eine neue Single, die eine alte covert - nämlich "Metal" von ebenjenem Gary Numan. Im Sommer spielen die FEWS dann noch ein paar Shows als Support der Pixies, noch so eine Bezugsgröße, was danach kommt, wird sich zeigen.



Chest Pains: Durchaus schmerzhaft [Update]

Ein kurze Nachricht von einer ziemlich lauten Truppe aus Leeds: Chest Pains, also vier junge Herren namens Callum, Cal, Sammy und Sam, haben sich ganz offenkundig der DIY-Philosophie verschrieben und entsprechend wild und ungelenk klingt ihr Garagen-Punk. "Petrified", ihre erste Single, ist seit zwei Tagen im Netz zu haben und wir wollen mal hoffen, daß da bald etwas nachkommt.

Update: Kommt schon und deshalb schnell weitergereicht - "Shame" als zweiten Song.

Donnerstag, 22. Juni 2017

Depeche Mode: Rundumversorgung

Da hat es noch an einer bestimmten Zutat gefehlt und die ist jetzt eingetroffen: Depeche Mode haben gerade wie erwartet eine Reihe von Anschlußterminen für den Herbst bekanntgegeben, denn wie üblich folgt dem Stadion die Halle. Und obendrauf gibt es auch gleich noch das neue 360-Grad-Video zur aktuellen Single "Going Backwards". Das Stück, das die letzten Konzerte eröffnet hatte, wurde von Timothy Saccenti bebildert und stammt natürlich vom Album "Spirit".

24.11.  Frankfurt, Festhalle
28.11.  Stuttgart, Schleyerhalle
30.11.  Mannheim, SAP Arena
11.01.  Hamburg, Barclaycard Arena
15.01.  Köln, Lanxess Arena
17.01.  Berlin, Mercedes-Benz Arena
19.01.  Berlin, Mercedes-Benz Arena
21.01.  Nürnberg, Arena Nürnberger Versicherung
04.02.  Wien, Stadthalle

HAIM: Come as you are

Hat Donald Trump sein Land etwa schon leerregiert? Keine Menschenseele unterwegs um Viertel vor acht auf Amerikas Straßen? Nun, wenn dem nicht so sein sollte, dann waren die Kosten für die Straßensperre inklusive Publikumsverbringung wohl das teuerste am neuen Video der Geschwister HAIM. Denn der Rest ist denkbar einfach gehalten, dreieinhalb Tanzschritte, halbherziges Playback, Styling Fehlanzeige (Kommt einfach mit dem, was ihr sonst so durch die Gegend tragt) - die drei Mädels wirken nicht gerade so, als wollten sie den Adressaten ihres neuen Liedchens "Want You Back" mit maximal leidenschaftlichem Gesang zur Rückkehr überreden. Am Ende wäre man über eine Kendall Jenner und jeden kleinen Aufreger froh ... Ach ja, einen neuen Song vom zukünftigen Album "Something To Tell You" (VÖ: 7. Juli) gibt es mit "Little Of Your Love" auch noch zu hören.



Queens Of The Stone Age: Schurkenstück [Update]

Sie zieren sich ja noch etwas, die Herren: Mit Informationen zum neuen Album haben die Queens Of The Stone Age bislang ja ziemlich gut hinterm Berg gehalten und auch im nachfolgenden Teaser geben sie sich alle Mühe, nicht zu viel zu verraten. Was wir dennoch wissen: "Villains" soll der Nachfolger von "Like Clockwork" heißen, produziert hat der umtriebige Mark Ronson und ein erster Song wird den Titel "Feet Don't Fail Me" tragen - ein paar Takte haben Josh Homme und seinen Männer doch noch rausgelassen. Und wie gewohnt werden wir hier natürlich nach und nach auffüllen, erfahrungsgemäß kann es nicht mehr allzu lang damit dauern.

Update: Neue Single "The Way You Used To Do", Albumcover und VÖ-Date 25. August - isso.

05.11.  Wien, Stadthalle
06.11.  Zürich, Samsung Hall
09.11.  Oberhausen, König-Pilsener-Arena
10.11.  München, Zenith
11.11.  Berlin, Velodrom
15.11.  Hamburg, Sporthalle



Hercules And Love Affair: Erwartungsvoll

Nachdem das letzte Opus "The Feast Of The Broken Heart" nicht nur mit ziemlich albernem Cover daherkam, sondern auch sonst den gewohnten Esprit vermissen ließ, ist eine Albumankündigung von Hercules And Love Affair nicht mehr automatisch eine Sache für ausgelassene Luftsprünge. Am 1. September soll nun also bei Big Beat Records die neue Platte "Omnion" erscheinen und natürlich ist wieder reichlich prominentes Gastpersonal dabei - Sharon Van Etten, gerade erst für eine Benefizsingle mit der Band aktiv, stellt mit dem Titeltrack die zweite offizielle Single, desweiteren im Studio vorbeigeschaut haben Faris Badwan von The Horrors (u.a. "Controller"), Gustaph, Rouge Mary, Mashrou’ Leila's Hamed Sinno und Sísý Ey von Iceland. Wir dürfen und wollen also gespannt sein, was uns da erwartet.



Circus HalliGalli: Am Arsch, Alter!

Also man kann ja von der Show und ihren Protagonisten halten was man will (und erfahrungsgemäß korreliert die Akzeptanz der beiden Herren Winterscheidt und Heufer-Umlauf direkt mit dem Alter ihrer Zuschauer) - aber der Abschied von Circus HalliGalli ist dann doch eher eine traurige Sache. Auch wegen der Gastauftritte, auch wegen der beiden Ganzkörperkasper, auch weil nun der Böhmermann ganz alleine weiterwerkeln muß. Der Grund, weshalb diese halbgare Mitleidsnote hier geschrieben wurde, ist aber eigentlich ein ganz anderer, wir wollten halt den phänomenalen Disstrack aus der letzten Show mit den Beginnern, Sido, Marteria, Cro und vor allem Fahri Yardım, der unbedingt zeigenswert ist, nicht ganz ohne Worte stehen lassen. Klappe, aus.

Mittwoch, 21. Juni 2017

Colour Of Spring: From Leeds with Love [Update]

Und wo wir gerade bei Leeds sind, möchten wir gern noch diese fünf jungen Herren hier nachreichen: Colour Of Spring haben seit 2015 eine ganze Reihe feiner Singles veröffentlicht und auch die letzten drei sind erstklassiger Shoegazing-Pop mit teils angenehm schweren Gitarren und natürlich wunderbaren Melodien. "Frail" und "Echoes" haben schon ein paar Tage mehr auf der Uhr, ganz aktuell ist jetzt "Love" dazugekommen. Die Liste der Vorbilder, die die fünf zum besseren Verständnis ins Feld führen, ist dann auch so überraschend nicht, Namen wie Slowdive, Wild Nothing, Dinosaur jr. und Pavement hätte man vielleicht mit ein paar Minuten Bedenkzeit selbst aufgeschrieben, ob sie's auch mit ähnlicher Ausdauer angehen, werden wir weiter beobachten.

Update: Heute können wir etwas verdichten, denn hier ist die offizielle "E.P." mit drei Titeln, von denen wir nur "Sun" noch nicht auf dem Schirm hatten.



Agent Blå: Jede Menge Zeit

Agent Blå
"Agent Blå"
(Kanine Records)

Seit langem bekannt: Die gefährlichsten Dinge haben die wohlklingendsten Namen. Beispiele gefällig? Bitteschön: Angel Dust, Enola Gay, Oleander, Ciguatera, Helene Fischer. Nicht anders sieht es bei der bunten Familie der Herbizide aus, bei deren Aufzählung hat man das Gefühl, in ein Sequel von Tarantinos "Reservoir Dogs" geraten zu sein. Denn der giftige Regenbogen kennt Bezeichnungen wie Agent Orange, Agent White, Agent Green, Pink und Purple. Und eben auch Agent Blue. Nun ist der Bezug zwar bewusst gewählt, ganz so furchterregend, wie der Name vermuten läßt, ist die Musik der Göteborger Post-Punk-Kapelle Agent Blå dann aber doch nicht. Sie berufen sich zwar stilistisch auf das Genre Death-Pop, richtig bedrohlich oder böse wollen die feinen Gitarren-Hooks und federnden Drumsets allerdings nicht klingen.

Die Entstehungsgeschichte vom Jugendzentrum und den leidenschaftlichen Joy-Division-Battles, aus denen hernach die endgültige Besetzung entstanden ist, hat man schnell intus, auch der Sängerin Emelie Alantalos grimmiges Statement, ihre Songs würden sich vor allem mit schlechten Parties und dem Warten auf das Ende selbiger beschäftigen, liest man gerade sehr häufig. Angefangen hat eigentlich alles mit dem ganz vorzüglichen Song "Strand", der im Dezember 2015 an den Start ging und gemeinsam mit der nicht weniger gelungenen Flipside "Frustrerad" für ein erstes Achtungszeichen sorgte. Hernach hielt "(Don't) Talk To Strangers" die Neugierde hoch, bevor das Album stand und mit dessen Ankündigung die erste reguläre Single "Rote Learning" an den Start ging. Und mit ihr die vielfach zitierten Textzeilen: "Tell me, what the fuck are we doing!?" Ja, wenn sie das nicht wissen, können wir gerne weiterhelfen - schön zu hörenden, energischen Waverock mit leicht verwaschenem Gesang und viel Potential. Sind ja gerade mal um die zwanzig und schlechte Parties gibt es bekanntlich zu allen Zeiten. https://agentbla.bandcamp.com/

Casper: Die Sache mit dem Anfang und dem Ende

Das ist schon verflixt: Da hatte man sich schon auf die übliche Taktung eingestellt, welche da heißt Single/Album/Tour, doch leider war nach der ersten Hörprobe schon wieder Pause. Casper konnte ja mit dem Titelsong seiner neuen Platte "Lang lebe der Tod" und den dazugehörigen WarmUp-Gigs erwartungsgemäß mächtig punkten, das Erscheinen des Komplettwerks allerdings verzögerte sich leider bislang ins Ungewisse. Schluss damit, seit gestern gibt es einen überarbeiteten VÖ-Tag, nämlich den 1. September, und dank des Abschieds der Herren Heufer-Umlauf und Winterscheidt den passenden Rahmen für die Single "Sirenen", welche während der Abschiedssendung des Circus HalliGalli zur Aufführung kam. Denn wie lautet der hübsche Kalenderspruch: In jedem Ende liegt ein neuer Anfang.

31.10.  Münster, Halle Münsterland
02.11.  Luxemburg, Rockhal
03.11.  Zürich, Samsung Hall
04.11.  Stuttgart, Schleyerhalle
08.11.  Hamburg, Sporthalle
10.11.  Dortmund, Westfalenhalle 1
14.11.  Wien, Stadthalle
17.11.  München, Zenith
18.11.  Frankfurt am Main, Festhalle
21.11.  Leipzig, Arena
22.11.  Bremen, ÖVB Arena
24.11.  Berlin, Max-Schmeling-Halle
25.11.  Hannover, Swiss Life Hall
09.03.  Würzburg, S. Oliver Arena
10.03.  Erfurt, Messehalle

Dienstag, 20. Juni 2017

Fleet Foxes: Raum und Zeit

Fleet Foxes
„Crack-Up“

(Nonesuch Records)

Gerade noch mal gespickt – den Vorgänger „Helplessness Blues“, vor sechs Jahren erschienen, hatten wir doch tatsächlich dem Erbe von Crosby Stills Nash And Young und Simon And Garfunkel zugeschlagen, was damals sicher kein allzu verwegenes Urteil war. Flauschige und verwunschene Songs fanden sich auf dem zweiten Album der Fleet Foxes, ganz dem Folk-Klischee entsprechend gab es Fidel-Melodien, zarte Chöre und allerhand mehr solcher herzerwärmenden Zutaten – und man war’s zufrieden. Klar stand dann in der Folge irgendwann die Frage im Raum, ob Robin Pecknold die Mumfordisierung seiner Band vorantreiben sollte oder im übertragenen Sinne die Alt-J-Taste drückt. Nun, er hat sich für letzteres entschieden und zwar mit einer Konsequenz, die einen staunen läßt. Denn von Beschaulichkeit, einschmeichelnder Süße oder gar zunehmender Simplifizierung ist auf der neuer Platte kaum noch etwas zu hören, statt dessen erwartet uns ein Werk, das zumindest in diesem Genre in Sachen Komplexität und Vielschichtigkeit seinesgleichen sucht.

Das ist nicht immer ganz einfach, man sollte sich für „Crack-Up“ schon ein paar Minuten mehr nehmen. Denn schon allein die Fülle der instrumentalen Arrangements ist so atemberaubend wie herausfordernd – neben den gewohnten Arbeitsmitteln einer handelsüblichen Rockband finden sich hier noch Celli und Cembalo,  Posaunen und Trompeten, japanische Lauten und Zittern, Marimba, Kastagnetten sowie ein ganzes Arsenal verschiedenster Keyboards und elektronischer Klangwandler in den Liner-Notes. Und so vielfältig die Auswahl der Werkzeuge, so weit geschnitten auch die der textlichen Bezüge. Man muss schon ein ausgewieseser Fachmann in Sachen Historie und Sagen sein, um hier den Anschluß zu behalten, den Bezug zum römischen Verschwörer Cassius ("Cassius,-"), zur griechischen Mythologie ("-Naiads, Cassadies") und zum mittelalterlichen Heldenepos Beowulf ("Mearcstapa") sollte man ebenso rekapitulieren können wie Grundkenntnis fernöstlicher Geografie und des malerischen Werkes Francisco de Goyas ("Third Of May").

Allen, die es jetzt mit der Angst zu tun bekommen sei gesagt, daß „Crack-Up“ auch ganz gut ohne Unistudium und Leihbücherei zu bewältigen ist – Zeit und auch Raum braucht es allerdings dennoch. Denn die kunstvoll verschachtelten Melodien, die vertrackten Strukturen und Stilmixturen, welche die Fleet Foxes zuweilen so klingen lassen wie Arcade Fire in ihren seligen Gründertagen, müssen sich entfalten, ausbreiten können. Es läßt sich natürlich ausgiebig darüber diskutieren, ob das, was Pecknold und seine Mitstreiter da anbieten, noch unter der Überschrift „Folk“ firmieren kann. Letztlich ist das aber zweitrangig, denn wie bei gutem oder weniger gutem Wein ist wichtig, ob es schmeckt oder eben gefällt, ob man sich darauf einlassen will und Gefallen an dieser Art des Musizierens findet. Zum Trost bleiben einem dann immer noch die Momente, in denen Pecknolds Stimme, ob solistisch oder gedoppelt, zart oder gewaltig, über all den komplizierten Dingen schwebt. Und die bleiben, so oder so, unverändert schön. http://fleetfoxes.co/crack-up

12.11.  Hamburg, Docks
13.11.  Berlin, Columbiahalle
01.12.  Köln, Live Music Hall

Montag, 19. Juni 2017

The Howl And The Hum: Magisch

Eine Ausnahmestellung in der britischen Musiklandschaft darf man derzeit wohl dem Quartett The Howl And The The Hum zuschreiben. Mit ihrem Song "Godmanchester Chinese Bridge" haben Sam Griffiths, Conor Hirons, Bradley Blackwell und Jack Williams vor ein paar Wochen die Herzen nicht weniger Hörer erobert, nun legen die Jungs aus York mit "Manea" nach - ähnlich trippy, crispy, noisy. Der Band wird ja nachgesagt, daß sie den Soundtrack zu Twin Peaks bespielen könnten, gäbe es diesen nicht schon, wie man hört veranstalten sie auch gern Live-Shows, bei denen sie selbst und das Publikum in kompletter Dunkelheit agieren. Kann man sich gut vorstellen - das hier jedenfalls haut um, garantiert.



Lorde: Einen Schritt weiter

Lorde
„Melodrama“

(Universal)

Das ist ja das Schöne an dieser Platte: Mit gerade mal Anfang zwanzig bestimmt die Neuseeländerin das Melodrama zum sinnstiftenden Thema ihres zweiten Albums und besingt dort auch fast ausschließlich das, was Menschen ihres Alters als dramatisch gilt: Beziehungschaos, Liebeswirren, persönliche Enttäuschungen, Sinnsuche. Und ohne jetzt Adele zu nahe treten zu wollen – bei ihr hätte das dann auch nach reichlich Melodrama geklungen. Lorde hingegen bastelt daraus mit Jack Antonoff aka. Bleachers, ihrem Produzenten und Kollaborateur, eine der vermutlich besten Popplatten dieses Sommers. Keine wohlgemerkt, die vor lauter Glückseligkeit durch Blumenwiesen hüpft, dafür sind die verhandelten Gefühlswelten dann doch zu ernst geraten. Dicke, schwerfällige Bassbeats gehören hier eher zur Grundausstattung, Lorde mischt, mal mit Flume, später Jean Benoit Dunckel, den gefälligen, schönen Melodien allerlei Versatzstücke des Trip-Hop bei und selbst ihr Gesang nimmt sich mit vorsichtig angedeuteten Rapversuchen so seine Freiheiten.

Überhaupt: ihre Stimme. Wo Adele oder gerade eben auch Hannah Reid von London Grammar diese zum einzig bestimmenden Stilmittel ihrer Songs machen und sie so ein Stück weit ihrer Wandelbarkeit und möglicher Überraschungen berauben, geht Lorde etwas andere Wege. Obschon sie sich, was Klangfarbe und Volumen angeht, hinter den beiden genannten Damen keineswegs verstecken muß, ist sie klug genug, den Tracks genügend instrumentales Eigenleben zu verpassen. Das Piano als Taktgeber für den flotten Dancepop von „Greenlight“, wenig später ‘stripped down‘ bei ihrer Balladenpremiere „Liability“, hier die kurze Gitarreneinlage für den hübschen Abba-Moment im Schlußteil von „The Louvre“, dort dissonante, düstere Industrial-Loops, die eine zerbrochene Beziehung genauso schmerzhaft klingen lassen, wie sie sich auch anfühlt („Hard Feelings“/“Loveless“).

Es ist trotz der vielen Spielereien ähnlich dem Vorgänger "Pure Heroine" wieder ein sehr ernstes Album geworden, das den Namen des wohl schönsten Stückes „Sober“ als Klammer über die gesamte Länge trägt. Texte, geschrieben an der Wegscheide zwischen unbeschwerter Jugend und unvermeidlichem Übertritt ins selbstbestimmte, spannende, aber eben bisweilen auch ziemlich glanzlose, mühevolle Leben einer Erwachsenen. Daß sie dabei am Ende fast klingt wie ihre eigene Mutter, läßt sich wohl nicht vermeiden: „All of the things we're taking 'cause we are young and we're ashamed, send us to perfect places. All of our heroes fading, now I can't stand to be alone – let's go to perfect places…“, die Erfahrung muß wohl jede/r machen und das fühlt sich nicht gut an, sondern immer auch ein bisschen wie der Verrat an der eigenen Vergangenheit. Auf dem Weg zu einer wirklich ernstzunehmenden Künstlerin, das kann man hier schon hören, ist sie damit aber schon einen großen Schritt vorangekommen. https://lorde.co.nz/

11.10.  München, Zenith
14.10.  Köln, Palladium
15.10.  Berlin, Tempodrom

LCD Soundsystem: Traumtänzer

Fast so sehnlich erwartet wie die Nachricht von der Abwahl des Toupeträgers aus dem Weißen Haus: LCD Soundsystem haben mit ihrem Rücktritt vom Rücktritt ja vor Monaten erst für Verwirrung und später für Jubelstürme gesorgt, nun hat James Murphy endlich den Titel seines neuen Albums bekanntgegeben. "American Dream" wird am 1. September bei DFA Records erscheinen und zehn neue Tracks enthalten - zwei davon, nämlich "Call The Police" und den Titelsong hatten wir ja hier schon vorgestellt, hier die komplette Liste:

Tracklist:
oh baby
other voices
i used to
change yr mind
how do you sleep?
tonite
call the police
american dream
emotional haircut
black screen




Samstag, 17. Juni 2017

Mise En Scene: Zeitvertreib

So, jetzt ist wieder Schluß mit lustig. Denn wir wenden uns nun kurz nach Winnipeg, Manitoba. Aus der Gegend nämlich kommt das Trio Mise En Scene und das spielt grundanständigen Grunge. Mit "Desires Despair" steht von ihnen bislang eine LP zu Buche, am 30. Juni soll nun hierzulande endlich eine weitere folgen - von "Still Life On Fire", so der Titel, haben wir hier gleich mal eine Handvoll Hörproben parat, unter anderem auch den aktuellsten Track "Waster". Und das ist nun wirklich eine sehr angenehme Variante, Zeit nicht zu verschwenden, sondern zu vertreiben.

Freitag, 16. Juni 2017

Die Nerven: Rangetraut

Nicht dass sie es können ist die eigentliche Überraschung, sondern dass sie's machen: Livealben sind ja selbst unter Rockisten ein heißes Eisen, so recht als vollwertige Werke gelten nur die wenigsten und seien wir ehrlich, ein "Made In Japan", "No Sleep 'Til Hammersmith" oder gar "Weld" bekommt nicht ein jeder einfach so zustande. Die Nerven aus Stuttgart gehen das aber trotzdem an, ohnehin sind sie on stage auf ihre Art berüchtigt und deshalb gibt es ab heute eine streng limitierte Vinyl-Ausgabe ihrer Platte "Live in Europa" bei Glitterhouse Records. Mit dabei zwischen den fünfzehn Stücken der drei bislang erschienenen regulären Longplayer "Fluidum", "Fun" und "Out" übrigens auch ihre Version des Joy-Division-Klassikers "No Love Lost".

Faber: Nichts Neues

... und das ist nicht mal bös gemeint. Denn wenn alles Lieder des großartigen Schweizer Gossenpoeten Faber ausnahmslos gut sind, dann reiht sich seine letzte Single "Nichts" ja nur ein ins große Ganze. Am 7. Juli soll es ja endlich kommen, das Album, auf das die halbe Halbwelt wartet, das Album, das so sich so umstürzlerisch und total egal gibt wie selten etwas. Wer bis jetzt noch kein Ticket für eine der im Herbst geplanten Shows gekauft hat, verdient eigentlich kaum Mitleid, denn es war ja lang genug Zeit. Hier jedenfalls noch einmal die letzten vier Songs in der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung, "Nichts", "Bleib Dir nicht treu", "In Paris brennen Autos" und "Bratislava" - einfach weil's so schön und traurig zugleich ist.







Donnerstag, 15. Juni 2017

The Night Café: Die nächste Saison

Neues aus Liverpool: Nein, nicht der Spielplan der neuen Premier-League-Saison ist gemeint, sondern ein weiterer Song des überaus talentierten Popquartetts The Night Café, welches hier ja schon des öfteren zu hören war. "Felicity" heißt ihre aktuelle Single und diese wiederum stammt von ihrer zweiten EP, die am 6. Oktober bei Kobalt Records erscheinen wird. Soll heißen: Wir können höchstwahrscheinlich neben allerlei spannenden Fußballspielen auch noch reichlich gute Musik in diesem Herbst erwarten.

Methyl Ethel: Unverdrängbar

Da kann momentan kommen was will, ihr Album zählt immer noch zu den größten Überraschungen des laufenden Jahres und schafft es aller Voraussicht auch in die Top Ten 2017: Methyl Ethel hatten ja mit "Ubu" nicht nur den Sommerhit der Saison fertig, noch bevor die überhaupt losgegangen war, auch "Everything Is Forgotten" wippte in seiner Gänze so unverschämt gut, das kein Kraut dagegen gewachsen scheint. Jetzt legen die Australier mit einem Video zur Single "Drink Wine" noch einmal nach.

The Killers: Männersache

Irgendwie scheint jemand die Losung ausgegeben zu haben, daß bahnbrechender Erfolg für alternde Indiegrößen nunmehr nur noch mit einer Mischung aus ABBA und Daft Punk zu machen ist. Arcade Fire haben verstanden und mit "Everything Now" mal vorgelegt, nun kommen also The Killers hinterher und setzen mit ihrer ersten Single "The Man" noch einen drauf. Gut, die Herren haben so nach und nach mit noch jeder Indie-Tradition gebrochen (und das war beileibe nicht immer die schlechteste Entscheidung) - wie der neue Sound allerdings beim eingeschworenen Fanvolk ankommen wird, bleibt abzuwarten. Der Nachfolger das 2012er Albums "Battle Born" jedenfalls wird "Wonderful Wonderful" heißen und in den nächsten Wochen erscheinen.

Mittwoch, 14. Juni 2017

Beth Ditto: Her mit dem Mainstream!

Beth Ditto
„Fake Sugar“

(Sony)

Beth Ditto zählt zweifellos zu der Sorte Menschen, denen man im Leben nicht gram sein kann. Naja gut, eine kleine Ausnahme gibt es schon, denn hätte sie ihre wunderbare Band Gossip vor einem Jahr nicht einfach so sang- und klanglos verschwinden lassen, die Welt wäre heute vermutlich ein kleines Stück besser. Schwamm drüber. Schließlich macht sie ja noch Musik, oder? Und zwar nicht unbedingt die schlechteste. Ditto hatte ja 2011 schon mal mit ihrer Solo-EP vorgefühlt, wo denn die Reise hingehen könnte, wenn sie den Karren allein steuert und damals standen so ziemlich alle Zeichen auf Club und Dance. Offenbar ist sie von diesem Kurs deutlich abgekommen, denn auf ihrem ersten Longplayer finden sich weit mehr Bezüge zum Gitarrenriff als zur Diskokugel und ein klein wenig scheint es, als wolle sie lieber das Erbe ihrer früheren Band verwalten. Auch wenn hier nichts mehr indie oder alternativ ist.

Sondern größtenteils ziemlich dick wummernder Blues- und Soulrock der mitreißenden Sorte. Schon mit dem Einstieg „Fire“ gibt sie dem Affen mächtig Zucker und später beim wild stampfenden „Oo La La“ nimmt sie sich wie eine amerikanische Variante von Francoise Cactus aus – „Je ne sais pas, pourquoi?“ Der schönste Song gelingt ihr, wie könnte es anders sein, mit „Oh My God“, einem glasklaren Gossip-Ableger, der ordentlich vorwärtsbrettert und Dittos Stimme über mehrere Oktaven schickt. Natürlich geht nicht alles gut, manches gerät etwas schwülstig oder gar angekitscht, „We Could Run“ oder „Love In Real Life“ sind dazu die passenden Beispiele. Letztendlich sind wir froh, daß der Durchschnitt bei ihr landet und nicht sie beim Durchschnitt. Ohnehin läßt sich beobachten, wie Ditto als schillernde, queere und selbstbestimmte Persönlichkeit den Mainstream mittlerweile mühelos aus ihrer Position dirigiert, sie muß sich dafür gar nicht großartig verbiegen. Ein Grund mehr, ihr fast alles durchgehen zu lassen. https://www.bethditto.com/

21.09.  Berlin, Huxleys
22.09.  Hamburg, Reeperbahn Festival
26.09.  Köln, E-Werk
27.09.  München, Muffathalle
28.09.  Wien, Arena
01.10.  Zürich, Volkshaus
05.10.  Frankfurt, Batschkapp

Kommode: Wunderpøp

Das schreit nach einer Nachricht - obwohl "schreien" in Zusammenhang mit dieser Musik wohl das Unpassendste überhaupt ist: Vielen von uns ist der Name Kings Of Convenience ja noch immer in der Hirnrinde unter dem Sammelbegriff BMP, also brillantest mögliche Popmusik, abgespeichert, leider ist es seit ihrer Abhängigkeitserklärung aus dem Jahr 2009 ziemlich still um die Jungs geworden. Nun aber meldet sich zumindest Eirik Glambek Bøe u.a. mit seinem Kumpel Øystein Gjærder Bruvik unter dem Namen Kommode zurück und kündigt ein Debütalbum mit dem Titel "Analog Dance Music" für den 18. August via Brilliance (!) Records an. Drei Stücke können wir von den Freunden des praktischen Beistellmöbels hier anbieten, wobei nur "Captain Of Your Sinking Ship" und "Fight Or Flight Or Dance All Night" auf der Platte zu finden sein werden, "Patient" ist dann dafür schon ein Stück zu alt.

Camel Power Club: Hoch hinaus

Der Name des kasachischen Städtchens Baikonour hat gerade für Menschen, die in jungen Jahren in der DDR sozialisiert worden sind, einen besonders gewichtigen Klang. Denn dort befindet sich noch immer der Welt größter Raketenstartplatz, von hier starteten so klangvolle Legenden wie Juri Gagarin, Waletina Tereschkowa, die Hündin Laika und natürlich auch unser aller Genosse Siegmund Jähn ihre Weltraumkarrieren (wobei die des Hundes eine ziemlich kurze, weil ohne Wiederkehr, war). Wollen sagen: Wer eine Affinität zur Raumfahrt und den unendlichen Weiten des Kosmos hat, der kommt an diesem geschichtsträchtigen Ort nicht vorbei, also auch nicht die Mitglieder der französischen Band Camel Power Club. Deren Vorlieben ließen sich schon anhand des Covers und der Songnamen ihrer letzten EP "Sputnik" leicht verorten, nun haben die Jungs mit ihrem neuen Kurzformat "Baikonour" (eben!) den Faden weitergesponnen. Am 23. Juni werden die acht Tracks erscheinen, einer von ihnen nennt sich "Kaffeklubben" und ist wie auch der Rest der Lieder mit einem feinen Artwork versehen. Im Übrigen geht es hierbei mitnichten um die Lieblingsbeschäftigung junger Faulenzer, sondern um den nördlichsten Punkt Grönlands und die Reise zu selbigem.

Lee Ranaldo: Kreative Vereinzelung

Wirklich verrückt, und natürlich auch ein bisschen ungerecht: Jedes Mal, wenn eines der Mitglieder der leider viel zu früh verblichenen Sonic Youth von sich hören läßt, kommentiert eine innere Stimme, daß sie das zweifellos im Übermaß vorhandene kreative Potential auch als Band hätten noch ausschöpfen, sprich zusammenwerfen können. Und an Arbeitsproben ist ja nun kein Mangel: Kim Gordon musiziert unter eigenem Namen oder wahlweise mit Alex Knost (Glitterbust) und Bill Nace (Body/Head), Thurston Moore hat gerade eine Neue (Platte) und tourt fleißig mit ihr, Steve Shelley trommelt für Sun Kil Moon und selbst Drummer Mark Ibold ist mit seinen Sticks bei den Psychrockern Spectre Folk untergekommen. Da paßt es ganz gut ins Bild, daß gerade auch Lee Ranaldo sein neues Album "Electric Trim" angekündigt hat - die neun neuen Songs werden am 15. September bei Mute Records erscheinen und neben dem alten Schlagzeugkollegen (siehe oben) ist auch Sharon Van Etten für ein Stück mit von der Partie - besagtes "Circular (Right As Rain)" gibt es vorab schon als Video zu sehen.

Dienstag, 13. Juni 2017

The War On Drugs: Tiefenversteher [Update]

Kleines Fakten-RoundUp zum neuen Album von The War On Drugs: Am 25. August soll sie nun also erscheinen, die neue Platte von Adam Granduciel - Titel "A Deeper Understanding". Darauf enthalten zehn Stücke, von denen bislang die Single "Thinking Of A Place" die Runde machte, heute kommt nun mit "Holding On" eine weitere hinzu. Und weil das der guten Nachrichten noch nicht genug sind, ist auch noch eine Tour für das letzte Jahresdrittel angesagt.

03.11.  Köln, E-Werk
17.11.  Zürich, X-tra
20.11.  München, Muffathalle
21.11.  Hamburg, Große Freiheit
22.11.  Berlin, Tempodrom

Update: Man darf annehmen, daß im Leben des Hauptdarstellers zuvor einiges schiefgelaufen ist, das ihn daran hinderte, an dessen weiterem Verlauf teilzuhaben: Der Clip zur aktuellen Single "Holding On", Regie Brett Haley, begleitet einen älteren Mann zurück in den Alltag, gespielt wird dieser auf rührende Art von Frankie Faison und auch Adam Granduciel selbst hat sich eine kleine Nebenrolle geschnappt.

Montag, 12. Juni 2017

Crooked Teeth: Zeitgemäßer

Ja, was haben wir gerade wieder beim Besuch eines handelsüblichen Depeche-Mode-Konzertes gelernt? Peinlich sind keineswegs die drei bis fünf Herren auf der Bühne, sondern eher die Herrschaften davor. Das kommt jetzt zwar arg böse und polemisch daher, aber die Zeiten, in denen stilvolle Musik auch ein ebenso stilvolles Publikum anzog, scheinen - zumindest oberhalb der Altersgrenze 40plus - endgültig vorbei zu sein. Schmerbäuche, Lockwellen, quietschbunte Outdoor-Ästhetik, es ist ein Grauen und der ZDF-Fernsehgarten nicht weit. Vielleicht hilft es ja, ab und an auch mal dem deutlich verjüngten Synthpop das Wort zu reden, gestern mit Otzeki, heute dem Londoner Trio Crooked Teeth. Die bärtigen drei Rob, Jo und Sam haben nämlich gerade mit "Mirrors" eine äußerst gefällige, tanzbare Nummer ins Netz gestellt, die einige Anhänger finden dürfte. Es müssen ja nicht gleich all die Abtrünnigen und Enttäuschten (siehe oben) sein.

The Stevens: Schön unrund

Daß gute Musik nicht immer rund und schon gar nicht glatt klingen muß, haben ja schon viele Bands bewiesen, die hier aufzuzählen Zeit und Raum sprengen würden. Fügen wir der langen Liste lieber ein weiteres, lohnendes Beispiel hinzu - The Stevens stammen aus dem australischen Melbourne und haben gerade für den 14. Juli ihr neues Album "Good" via Chapter Music angekündigt. Achtzehn Songs werden sich darauf finden und mit "Pulling All The Facts Together" und "Chancer" haben wir hier schon mal zwei, die im Ohr unablässig ihre Runden drehen dürften. Die Band ist übrigens seit 2011 aktiv, 2014 haben Travis MacDonald, Alex Macfarlane, Gus Lord und Matt Harkin ihr Debüt mit dem wunderbaren Titel "A History Of Hygiene" veröffentlicht und wem das sehr angenehm nach den Go-Betweens klingt, der ist in Sachen Land und Leute ganz vorn mit dabei.

The Drums: Teen Years After

Am Freitag ist es endlich soweit, dann nämlich erscheint das neue Album der New Yorker Kapelle The Drums. Nun gibt es nicht wenige, die auf diesen Hinweis mit der Gegenfrage antworten, wieso denn das ein Grund zur Freude sei, sie hätten doch schon eines. Wir wissen natürlich, daß es sich hierbei nur um die nicht eben seltene Häufung von Arroganz, Ignoranz und Schwerhörigkeit handeln kann, denn zu behaupten, eine Platte der mittlerweile zum Ein-Mann-Projekt geschrumpften Band klinge wie die andere, ist eine böswillige Unterstellung. Und ist doch so selten nicht – schon der eigentlich recht geschmackssichere Journalist Jan Wigger verschrieb sich 2011 in seiner SpOn-Kolumne „Abgehört“ zum zweiten Werk „Portamento“ wie folgt: „Dengel-dengel-dengel-brumm-brumm-dengel-dengel-dengel-ahahaha-uhuhuhu-dengel-dengel-boing-schrumm-schrumm-ahahaha-uhuhuhu-ohohoho-dengel-dengel-dengel-jaul-jaul-jaul-dengel-dengel-dengel-boing“ und halbierte die maximal erreichbare Punktzahl auf gnädige fünf Zähler. Klingt vielleicht ganz amüsant, geht aber trotzdem am Thema vorbei, denn Jonathan Pierce, Sänger, Gründer, schillerndes Aushängeschild und grundsympathischer Wortführer der Band, darf sehr wohl auf eine Änderung des Sounds zugunsten vielfacher Einflüsse pochen. Wenn überhaupt, läßt sich vielleicht am Vorgänger „Encyclopedia“ etwas herumkritteln, dem aktuellen Album aber fehlt es nicht an überraschenden Wendungen und Kniffen. Wieso „schwierige Kindheit“ hier mehr als ein Schlagwort ist, was die Liebe so verzwickt macht und wie politisch sich die Neue ausnimmt –Fragen an einen überaus charrmanten und entspannten Gesprächspartner.

Freunde, denen ich von dem Interview mit Dir erzählt habe, meinten: „Oh, The Drums, ist das nicht die Band mit dem smarten, blonden Sänger, der nicht erwachsen werden will?“ Ja, ich weiß – falsche Freunde. Aber wie gehst Du mit solchen Vorurteilen um?
Nun, es war schon früh in meiner Kindheit klar, dass ich schwul bin und sein werde, meine Eltern waren allerdings beide Mitglieder in einer freikirchlichen Pfingstbewegung und haben deshalb versucht, meine Sexualität in speziellen Sessions durch Gebete zu ändern, also die „Verirrung“ quasi auszutreiben. Ich hatte zudem keinerlei Erfahrungen mit anderen Kindern, die so waren wie ich, war in keiner Schule, sondern bin privat unterrichtet worden. Und das war eine sehr, sehr strenge Erziehung durch lauter Leute, die im Grunde ihres Herzens Homosexualität richtiggehend hassen. Das ist zwar Jahre her, aber was passiert, wenn du schon als Kind erfährst, dass du nicht so sein kannst wie du bist und willst? Du beginnst so zu tun, als wärest du jemand anderes, nur um klarzukommen und nicht durchzudrehen. Und das fühlt sich dann eben so an, als hätte jemand die „Pause“-Taste gedrückt. Erst mit Mitte zwanzig, als ich nach New York gekommen bin, habe ich herausgefunden, wer ich wirklich bin und dass es viele Menschen gibt, die mich lieben und mich unterstützen. Erst von diesem Zeitpunkt an kenne ich mein wahres Ich und genau diese Verzögerung ist dann der Grund, warum ich mich immer zehn Jahre jünger fühle als ich wirklich bin. Deshalb klingen auch viele meiner früheren Songs sehr teenagerhaft, einfach weil es lange gebraucht hat, bis ich die wahre Liebe entdecken konnte und auch durfte.

Inwiefern spiegelt sich das dann auf der neuen Platte wieder?
Ich habe „Abysmal Thoughts“ ja das erste Mal allein aufgenommen und nicht wie früher mit einer kompletten Band, aber nicht nur deshalb fühlt es sich an wie eine Art Debüt – mir kommt es vor wie ein besonders großes „Fuck You!“ an alle, die mich in meinem Leben vorverurteilt und eingeengt haben. Es gibt diesmal keine Filter, keine Zurückhaltung, ich kann frei über Sex, über Drogen, über alles singen, was ich Schönem, aber auch an schlimmem Dingen erlebt habe. Weißt du, für mich sind Erwachsene einfach nur Kinder in hässlicheren Körpern, und wenn du das weißt, dann kannst du lernen, damit umzugehen. Heute freue ich mich über alle, die meine Musik mögen, und wenn es jemand nicht tut, dann ist das auch in Ordnung.


Ein weiteres Vorurteil: The Drums machen eigentlich immer lustige, luftige Musik. Hört man aber die Songs, gerade auch die neuen, dann sind die oftmals sehr dunkel, melancholisch. Das aktuelle Album beginnt mit „Mirror“ und jeder Menge Selbstzweifel, der Suche nach dem eigenen Ich, auch „Blood Under My Belt“ mit seinen Verweisen auf Tod und die Ursünde ist ziemlich düster. Ist das eine, Deine Herausforderung, diese Kombination aus „light sounds and serious meaning“?
Ich mache eigentlich nichts anderes, seit ich die Band gegründet habe, das passiert einfach so. Schon „Let’s Go Surfing“ [„The Drums“, 2009] klingt zwar sehr leicht und verspielt, aber auch da ging es schon um Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit, solche Dinge. Ich schreibe Songs in der Regel dann, wenn ich traurig bin und für mich klingen sie in dem Moment auch nicht so beschwingt, wie es für den Hörer den Anschein hat. Einfach weil meine Stimmung beim Schreiben ja eine andere ist. Monate später, wenn ich dann wieder reinhöre, denke ich mir auch „Hey, das ist mal entspannt!“, aber der Bezug bleibt halt ein anderer für mich.

Liebesschwüre, Verlust, Kampf – ist Liebe für Dich tatsächlich eine so ernste Sache, wie man es beim Zuhören meint?
Nun, ich lebe jetzt wieder in einer sehr glücklichen Beziehung und alles ist prima, aber ich denke schon, dass wahre Liebe keine einfache Sache ist, einfach auch weil sie so schwer zu finden ist. Und etwas, das man auch behüten, um das man kämpfen, das man verteidigen muss. Natürlich haben wir beide unheimlich schöne Momente miteinander, unternehmen und erleben wir großartige Dinge – aber das sind die wenigen Augenblicke, die man genießen möchte, da setze ich mich dann nicht hin und schreibe ein Lied drüber.

Du hast mal gesagt, Dir ginge es wie vielen anderen Künstlern, in den Momenten, wo es Dir gutginge, würdest Du die furchtbarsten Stücke schreiben, wirklich große Momente gäbe es nur dann, wenn man auch leiden müsste? So gesehen ging es Dir bei „Encyclopedia“ besonders gut und vor „Abysmal Thoughts“ entsprechend schlecht?
[Lacht] … Na ja, „Encyclopedia“ ist schon ein ziemlich verrücktes Album, ich bin zwar dankbar dafür, aber es ist klingt eben auch für mich etwas fremd. Und tatsächlich sind diese Songs in einer Zeit entstanden, in der es mir wirklich gut ging, wo ich mir keine Sorgen um die Zukunft gemacht habe. Später dann kam der Bruch von einem Tag zum anderen und das war für mich schon ein richtiger Schock. Und genau in dem Moment habe ich angefangen, neue Songs zu schreiben, genau deshalb ist das dann auch ein sehr intimes, ein sehr persönliches Album geworden.

„Abysmal Thoughts“ scheint ja beides zu sein, die Rückkehr zu alten Stärken wie beim wunderbaren „Portamento“, aber auch der Aufbruch zu Neuem. Wir hören jetzt diese jazzigen Sounds, Trompeten- und Saxophonparts wie bei „Are U Fucked“ und „Your Tenderness“ – was wolltest Du anders machen als zuvor?
Nun, allein schon der Umstand, dass Jacob [Graham] nicht mehr dabei ist, gibt mir jetzt viele Freiheiten, Dinge zu tun, die vorher nicht möglich waren. Nicht viele wissen, dass ich in meiner Jugend ein sehr großer Fan von Techno, Drum‘n Bass und House war, Roni Size und solche Sachen, und die Jazz- und auch die Drumparts beziehen sich auf diese Zeit. Generell lasse ich die Welt aber eher draußen, wenn ich Songs schreibe, ich ziehe mich zurück und kümmere mich nicht so sehr um andere Dinge und Einflüsse. Ich versuche nicht, nur der Vielfalt wegen vielfältig zu sein, das kommt wie es kommt. Es gibt so viele Bands, die sich selbst unter Druck setzen, weil sie meinen, andauernd etwas Neues ausprobieren zu müssen, ich dagegen bin eher beständig und mache lieber die Dinge, für die ich bekannt bin.

Letzte Frage: Der Albumtitel zum einen, an anderer Stelle singst Du davon, dass Du manchmal Deinen Kopf lieber unter der Bettdecke lassen würdest – gibt es da vielleicht auch politische Bezüge zur derzeitigen Situation in Deinem Heimatland oder ist das eine Fehlinterpretation?
Ich wollte ganz gewiss kein politisches Album oder Statement machen. Ich habe die Songs zu einer Zeit geschrieben, wo Trump noch nicht Präsident war, zudem war ich ziemlich fokussiert, habe eher in mich hineingehört – es ist eher ein introspektives Album. Der einzige Track, von dem ich denke, dass er politisch sein könnte, ist vielleicht „Rich Kids“, der letzte, den ich für das Album geschrieben habe. Es gibt bei uns viele junge Menschen, die ein sehr privilegiertes Leben führen, aber die schwierigen Umstände, mit denen andere Menschen zu kämpfen haben, komplett ignorieren. Das beschäftigt mich sehr und macht mich traurig, auch wenn ich weiß, dass es viele Ausnahmen gibt. Aber der Rest auf der Platte dreht sich tatsächlich nur um mich.

19.09.  Lausanne, Les Docks
21.09.  Hamburg, Reeperbahn Festival
28.09.  Berlin, Lido

"Abysmal Thoughts" erscheint am 16.06. bei ANTI-.

Emily Haines: Hauptrolle

Na, gleich wiedererkannt? Die Madonna unterm Hoodie ist natürlich Emily Haines, Frontfrau der kanadischen Alternativ-Rockband Metric und sie wäre nicht hier, hätte sie nicht etwas anzukündigen. Am 15. September nämlich soll Haines' nächstes Solowerk "Choir Of The Mind", eingespielt unter dem Namen Emily Haines And The Soft Skeletons, erscheinen. Nicht schwer zu erraten, daß es darauf auch um das weibliche Rollenverständnis dreht, zu dem Haines eine sehr dezidierte Meinung hat: "The through-line of this record is a fascination with feminine strength and what that looks like,” sagte sie kürzlich der Zeitung The Globe and Mail. "Often, we’re presented with either vulnerability out of innocence, and that’s celebrated, or a sort of hardened, leather-jacket-over-your-heart, ‘I’ve been through it all’ toughness, which I refuse to become. I refuse to become tough. The process of making this record was about going into those places but bringing out light. This isn’t a record that brings you down." Freut uns zu hören, noch mehr natürlich eine erste Sneak-Preview namens "Fatal Gift" als dramatisch-trippige Pianoballade.

Freitag, 9. Juni 2017

Ibeyi: Lehrbeispiel

Geschwistermusik kann auch ganz harmonisch funktionieren und muß nicht immer so böse enden wie das Verhältnis der beiden (Achtung: Lieblingsbeispiel) Brüder Liam und Noel Gallagher, die sogar eine recht ersthafte Benefizveranstaltung für ihre albernen Scharmützel nutzen. Lisa-Kaindé und Naomi Díaz als französisch-kubanisches R'n'B-Duo Ibeyi zum Beispiel haben 2015 ihr selbstbetiteltes Debütalbum abgeliefert, nun gibt es mit "Away Away" eine neue Single zu hören - und im Video brav zelebrierte Glückseeligkeit. Geht also doch, Jungs!

Big Thief: Ganz nah dran

Big Thief
„Capacity“
(Saddle Creek/Cargo Records)

Menschen, die offensiv ihr Innerstes nach außen kehren, sind einem ja in der Regel eher suspekt, zu viel Nähe macht unsicher, zwingt den Gegenüber zur Anteilnahme, wo er besser der stille Beobachter geblieben wäre. In seltenen Fällen gerät solch eine intime Vereinnahmung allerdings auch zum Glücksfall, dieser hier ist einer. Adrianne Lenker, stoppelköpfige Sängerin der New Yorker Band Big Thief, macht kein Hehl daraus, dass nichts von dem, was sie singt, fiktiv, sondern alles sehr persönlich ist: „I haven’t really figured out how to write a fictional piece yet. Not that fiction doesn’t contain truth, but if there are any fictional elements that surface in the songs, they can still be true” sagte sie gerade dem Netzportal Stereogum. Mit der Auswahl der Fotos für die Cover ihrer Alben geht sie noch einen Schritt weiter, waren auf dem Debüt “Masterpiece” noch zwei Cousins zusammen mit ihrer Mutter zu sehen, ist es nun ein hochgeschätzter Onkel, der (selbst noch ein Kind) skeptisch aus der Vergangenheit dem Betrachter in die Augen schaut.

Das Selbstverständnis, mit dem Lenker also dem Zuhörer ihre Seele öffnet, ist durchaus und gerade in diesem nicht eben zimperlichen Geschäft ungewöhnlich, schließlich macht sich, wer wie sie bewusst Einblicke ins Familiäre gewährt, auch verwundbar. Eindrücklichstes Beispiel: Im Song “Mythological Beauty” singt sie von einem traumatischen Kindheitserlebnis, einem Unfall, in sehr anrührenden Worten, ihre Stimme dabei wie auf der ganzen Platte so wunderbar warm wie zerbrechlich. Gleich zu Beginn wiederum bei “Pretty Things” erzählt sie zu sparsamer Instrumentierung von ihrer Suche nach femininem Selbstverständnis, von der Rolle des Weiblichen in - ja, einem jeden von uns. “Femininity is not something that is weak or dainty in any way, or pretty even” so Lenker, “Femininity is like this energy that is inherent in all things - in men and in women and however you identify.” Ziemlich kluge Gedanken für ein so junges Mädchen und ebenso mutig, sie mit uns zu teilen. “Capacity” ist, das darf man zweifellos behaupten, ein weiteres Meisterwerk geworden. Obschon man mit ihrem Äußeren die Wildheit der jungen Sinead O’Connor assoziiert, rückt Lenker sowohl in puncto Gesang als auch der Bildgewalt und Metaphorik ihrer Stücke deutlich in die Verwandtschaft zu Kate Bush.

Und das ist keinesfalls zu hoch gegriffen – wen so gefühlvolle Lieder wie “Watering”, “Shark Smile” oder “Mary”, letzteres von einer Intensität, die kaum zu ertragen ist, wen diese Bekenntnisse innerer Zerrissenheit und grenzenloser Liebe nicht anrühren, für den ist das Leben mit all seinen Unwägbarkeiten, Abgründen und unverhofften Lichtblicken sicher nur die Hälfte wert. Die Dunkelheit sei dunkler auf diesem Album, aber auch das Helle heller, hat sie in besagtem Interview gemeint und so gibt es auf “Capacity” neben den vielen besinnlichen auch die lauten, die bedrohlichen und die frohen Momente. Etwa bei versöhnlichen “Haley”, das fast schon beschwingt von Rückkehr und Verzeihung handelt, im Titelstück wiederum schlingern und rumoren die Gitarren geräuschvoll im Hintergrund, fast ein Ausbruch: “Lost in your captivity, learning capacity for make-believe in everything”. Es ließe sich noch viel Gutes über diese Platte sagen, das Beste wird allerdings sein, man hört sie sich selbst an. So nah wie hier werden einem in diesem Jahr jedenfalls nicht viele kommen. http://www.bigthief.net/

15.08.  Frankfurt, Batschkapp
16.08.  Erlangen, Kulturzentrum E-Werk
24.10.  Hamburg, Molotow
26.10.  Berlin, Privatclub