Montag, 10. Oktober 2011

Vom Poser zum Teamplayer



Noel Gallagher’s High Flying Birds
„Noel Gallagher’s High Flying Birds“ (Sour Mash)
Natürlich muss, wer Liam sagt, auch Noel sagen. Und wenn Beady Eye Monate zuvor an dieser Stelle so gut weggekommen sind, dann lag das bei näherer Betrachtung schlichtweg daran, dass die High Flying Birds einfach noch nicht in der Luft waren. Diese vorbehaltlos freundliche Eröffnung wird jetzt manchen, der hier öfter vorbeischaut vielleicht etwas irritieren – keine Bange, mir geht das selbst nicht anders. Doch auch wenn man das brüderliche Abwatschen in der Tabloid Hell der letzten Wochen zum Erbrechen über hatte, muß man doch zugeben: Als Ergebnis kann man mit des einen, besonders aber mit des anderen Bruders Platte mehr als zufrieden sein.

Warum nur, diese Frage gleich zu Beginn, dieses unscharfe und verschwommene Tankstellen-Cover, auch bei weiteren Abbildungen gibt sich der Mann, den man über mangelndes Selbstbewußtsein noch nie klagen hörte, so ungewohnt zurückhaltend, nie en face, immer abgewandt, fast als hätte er Schiss, man könnte erkennen, wer für die Songs verantwortlich zeichnet. Dabei gibt es für übertriebene Bescheidenheit gar keinen Grund. Denn wie erwartet schreibt der Teil, der schon für einen Großteil der Perlen von Oasis zuständig war, im Vergleich zum Kraftmeier Liam auch die besseren Songs.

Und er tut das mit einer Verve, die einen wirklich staunen läßt: Orchesterklänge, Chorbegleitung, hymnischer Bombast, schwelgerische Melodien – da ist wenig vom rotzigen Lad als vielmehr Durchdachtes vom bestens aufgelegten „Liedermacher“ zu hören. „Everybody’s On The Run“ – herrlich und die ganz dicke Sahne, „Dream On“ nicht minder kalorienhaltig und bei „If I Had A Gun“ will der gute Junge die Knarre auch nur haben, um seiner Angebeteten ein Loch in die Sonne zu schießen – hier wird er regelrecht zum Träumer: „'Scuse me if I spoke too soon, my eyes have always followed you around the room. 'Cus you're the only God that I will ever need, I'm holding on and waiting for the moment to find me.“ Wow, Noel, bist Du’s?

”The Death Of You And Me” glänzt gar mit feinen Bläsersätzen und manch netter Augenzwinkerei (“the bottom of a bottle is every man's apostle ... I'm watching my tv, or is it watching me?”), für “AKA What A Live!” darf’s sogar ein bisschen Acid sein, erinnert ein wenig an die bessern Stücke von Deacon Blue (“Only Tender Love”) und Noel läßt den Tiger raus (“I'm gonna take that tiger outside for a ride”). Und schlechter wird das nicht – offensichtlich ist der Knabe so verdammt aufgeräumt, dass er auch den Rest noch gut über die Bühne bekommt. Das bissige „Soldier Boys And Jesus Freaks“ luftig bespielt, ein wenig Travis für „AKA Broken Arrow“ und ein verteufelt guter Drive bei „(Stranded On) The Wrong Beach“ – selbst das infernalische Getöse am Schluß geht in Ordnung.

Auf einem der angesprochenen Promobildchen sieht man Noel im Übrigen an einem dieser altehrwürdigen Theaterpaläste stehen – über ihm in großen Lettern der Schriftzug „It’s never too late to be what you might have been“. Zufall, Understatement, Lebensentwurf oder simply Bullshit – nach und mit diesem Album darf man ruhig die Frage stellen, warum in aller Welt der Junge sein Talent über die letzten dürren Jahre bei Oasis so verschwendet hat. Denn er mag vielleicht noch immer ein arroganter Kerl sein, mit dieser Platte ist er auf dem Weg zum gereiften Teamplayer.
http://www.noelgallagher.com/

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