Donnerstag, 18. Februar 2016

Isolation Berlin: Berührungspunkte

Morgen soll es nun endlich erscheinen, das lang erwartete Debüt "Und aus den Wolken tropft die Zeit" von Isolation Berlin und die Vorbesprechungen sind nicht weniger als hymnisch. Was erstaunlich ist, denn schließlich kehrt Sänger Tobias Bamborschke in jedem der neuen Stücke seine dunkle Seele nach außen und zwar mit einer Ehrlichkeit, die so entwaffnend wie beängstigend ist. Grund genug, den blassen jungen Mann zu fragen, wie es denn zu dieser großen Traurigkeit kommen konnte und wie man mit ihr durch’s Leben kommt.

Mit dem aktuellen Album sollte es mit der Isolation in Berlin und anderswo ja nun endgültig vorbei sein – wie kann man sich die letzten Jahre der Band so vorstellen?
Der Grundstein der Band beruht auf meiner eigenen Isolation, ich hatte mich damals von meiner Freundin und meinen Freunden getrennt und befand mich dann eben in dieser Isolation – das war das Gefühl, was ich beim Laufen durch die Straßen von Berlin am stärksten empfunden habe. Daraus sind dann erste Songs entstanden und auf meiner Suche nach Leuten, die mit mir diese Musik machen wollten, bin ich auf Max gestoßen. Wir sind dann zu zweit ziemlich lange vor uns hingedümpelt, haben so auch „Aquarium“ aufgenommen und kurz vor Veröffentlichung dieser ersten EP kamen dann Simeon und David dazu. In dieser Besetzung wurde dann „Körper“ eingespielt und jetzt das erste Album.

Die verschiedenen Cover, die recht unterschiedlichen musikalischen und visuellen Stile – einverstanden, dass man Euch auch Irritation Berlin nennen könnte?
Also wir legen es eigentlich nicht darauf an, aber anscheinend irritiert es doch ziemlich viele Leute. Wir beginnen eigentlich jeden Song als neues Projekt, mit den dazugehörigen Gefühlen, dem jeweiligen Stil, und dann kucken wir gemeinsam und fassen es musikalisch zusammen. So steht jeder Song irgendwie für sich und dadurch entwickelt sich dann diese Vielschichtigkeit.

Die Spannweite zwischen, sagen wir „Annabelle/Swantje“ und „Ich küss dich“/“Ich wünschte, ich könnte“ ist doch schon sehr groß - was treibt euch zu dieser Unterschiedlichkeit?
Die verschiedenen Songs entstehen ja oft zu gleichen Zeiten, also da gibt es keine Trennung oder Abgrenzung. Ich schreibe über Gefühle, über Geschichten, die ich erlebe und aus diesen Worten entsteht dann der Sound. Wir versuchen dabei nicht, in ein bestimmtes Schema zu passen, sondern schauen jedes Mal neu, was sich ergibt.



Protopop hin, Post-Punk her, wie ist das mit solchen Schubladen oder Etiketten? Helfen sie, fordern sie eher heraus oder nerven sie einfach nur?
Also das mit dem Protopop war ja eher als Spaß gedacht, wir schieben uns selber nicht in einer Schublade, wollen eigentlich immer frei sein, so dass es halt dem Song dient. Und wenn die Leute das jetzt als Post-Punk oder was auch immer bezeichnen, dann ist das in Ordnung, aber wir selbst machen uns da eigentlich keine Gedanken zu.

Ist es schwierig, Stereotypen, Erwartungen, Gestaltungsmustern aus dem Weg zu gehen, diese zu brechen oder passiert das bei Euch eher spontan?
Schon letzteres, wir warten eigentlich darauf, dass die Songs kommen und wenn sie kommen, dann sind sie da – damit arbeiten wir dann und viel mehr Gedanken machen wir uns darüber nicht.

Aber das, was dann zu Sprache kommt, Tobias, ist dann schon sehr persönlich? Das ist ja nicht immer selbstverständlich, oft betonen Künstler ja, dass ihre eigene Person, ihre eigenen Gefühle nicht viel mit den in den Liedern geschilderten Dingen gemein haben …
Doch, das hat schon sehr viel mit mir, mit meinen Emotionen zu tun. Das entsteht alles immer aus einer Geschichte, die ich gerade erlebt habe – wobei es auch Sachen sein können, die ich von Freunden gehört habe und die dann so zu meinen werden. Oder dass ich durch die Stadt laufe und dann Schicksale sehe, die mich berühren.



Kommt Ihr nicht drumherum: Euer tatsächliches Verhältnis zu Berlin?
Also ich habe noch nie woanders gelebt und deshalb kann ich dazu wenig sagen. Aber ich weiß von vielen Leuten, dass sie das ähnlich wie ich empfunden haben, dass sie also in Berlin eben eine große Isolation gespürt haben. Wenn man in Berlin traurig und einsam ist, dann halt richtig. Man ist in dieser Stadt eben auch so vielen traurigen Schicksalen ausgesetzt, dass sich damit irgendwie auch niemand mehr befassen will und viele regelrecht überfordert sind. Wenn man jeden trösten wollte, der hier traurig durch die Gegend läuft, dann müsste man eine Lebensaufgabe draus machen und würde immer noch nicht zurande kommen.

Depression Berlin, Grauzonenmusik - auch die quasihistorischen Bezüge sind kaum zu vermeiden. Also mehr Sven Regener, Rio Reiser oder doch eher Peter Hein?
Zu Rio Reiser gibt es gar keinen Bezug, die Fehlfarben hat man vielleicht mal in einer bestimmten Phase gehört – aber Sven Regener ist auf jeden Fall eine Inspiration von mir. Element Of Crime waren für mich schon ganz früh eine Art Aha-Erlebnis, weil ich mich schon immer für Musik, aber vor allem für Texte, für die Lyrik interessiert habe. Anfangs waren das zwei ganz verschiedene Welten, die ich nicht so richtig zusammenbekommen habe, was sehr schade war – und durch Element Of Crime habe ich dann gemerkt, dass es doch geht.

Euer Gesamtwerk, nimmt man die aktuelle Platte und die beiden EP zusammen, ist ja nun weiß Gott kein fröhliches – Todessehnsucht, Flucht, Autoaggression, Misstrauen, Verlust, Vereinsamung – hilft denn da das selbstgeschriebene Lied?
Das hilft sehr, doch. Kunst ist für mich die einzige Möglichkeit, aus Leid, also etwas Negativem, das Glück, also etwas Positives zu schaffen.

Wie realistisch ist es denn, für diese Themen geliebt zu werden?
Das ist schon irgendwie absurd: Am Anfang habe ich ja geschrieben, weil ich Songs haben wollte, die meinem Gemütszustand entsprechen und in denen ich mich verstanden fühlte. Und ich habe eigentlich nicht daran geglaubt, dass das funktioniert, dass also größere Massen sich dafür interessieren würden, aber es scheint so zu sein, es passiert wirklich.



Ihr habt eine Coverversion von Joy Divisions „Isolation“ auf der aktuellen EP-Sammlung untergebracht, die überraschend gut funktioniert. Das gilt auch für das Pulp-Cover „Gewöhnliche Leute“ - wie groß war die Gefahr, dass das in deutscher Sprache daneben geht und albern klingt?
Der Song von Pulp ist ja generell schon etwas humoristisch angelegt, bei „Isolation“ hatte ich allerdings schon etwas Bammel. Der Rolling Stone hatte uns gefragt, ob wir einen Song von Joy Division covern wollen und wir haben uns dann den ausgesucht. Bei der Übersetzung hab ich dann schon ganz schön geschwitzt, weil Joy Division ja doch sehr ernst sind, denen kann man sich mit einem Augenzwinkern schlecht nähern. Zudem haben wir uns bewusst sehr nah am Originaltext bewegt, da war es schwierig, das richtige Versmaß hinzubekommen und den Sinn im Deutschen noch zu bewahren. Es war auf jeden Fall eine Herausforderung.

Und wie war’s mit Nina Hagen – „Fall In Love Mit Mir“ klingt ja regelrecht aufgekratzt und herausfordernd?
Mein Vater hat die Platte schon immer im Schrank stehen gehabt, ich höre Nina Hagen also schon seit Jahren. Wenn Max und ich zu Hause saßen, hab ich manchmal Nina Hagen angemacht und aus Spaß dazu getanzt und Playback gesungen und irgendwann ist dann daraus dieses Cover entstanden.

Zum Schluss – wie kam es zur Zusammenarbeit mit Yannick Riemer, dem ihr ja nicht nur das aktuelle Cover zu verdanken habt, sondern der für Euch auch schon diverse Videos produziert hat?
Yannick ist ein Schulfreund von David, unserem Bassisten und er wohnt seit anderthalb Jahren auch mit mir zusammen – ich schlürf also morgens einfach zu ihm rüber und sag „Yannick, komm, lass uns mal’n Video drehen“ oder „Mach mal bitte ein Cover“ – naja, so ungefähr. Seine Arbeit passt auch gut zu unserem Ansatz, jedes Stück von neuem und gesondert zu betrachten, also auch das Artwork und die visuelle Umsetzung.

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