Dienstag, 14. März 2017

Schnipo Schranke: Mutwillige Selbstenthemmung

Schnipo Schranke
Hansa 39, München, 13. März 2017

Daniela Reis und Fritzi Ernst haben ja während der Promotion für ihr aktuelles Album „Rare“ desöfteren darüber geplaudert, daß ihnen die Musik als wichtigstes Hilfsmittel gilt, um mit den Widrigkeiten des Alltags zurechtzukommen. Schmerzhafte Dinge leicht und sogar lustig klingen zu lassen ist ja keine kleine Kunst, gelingt sie, macht das vielen vieles erträglicher. Insofern sind diese versaut komischen Chansonabende, im folgenden Konzert genannt, immer auch öffentliche Therapiesitzungen – natürlich solche der außergewöhnlichen Sorte. Denn wo sonst werden so ausführlich wie ausgelassen mit Pisse, Eiter und Sperma Körperflüssigkeiten jeder Art gefeiert, wo sonst werden menschliche Unzulänglichkeiten und Peinlichkeiten so herzhaft besungen und belacht wie bei Schnipo Schranke. Das eigentliche Verdienst dieser Band ist, daß sie vermeintliche Tabuthemen gleich reihenweise abgrasen und zwar auf eine derart beiläufige und entwaffnende Art und Weise, daß man schon mitschunkelt und hüpft, bevor man überhaupt realisiert hat, daß es gerade um einen Katzensarg, das Haschpfeifchen oder ein besonders übelriechenden Furz geht. Mutwillige Selbstenthemmung – oben ohne an der Cocktailbar – da mag vieles im ersten Moment überzogen und albern klingen, ergibt aber dann einen Sinn, wenn man hinter die meistens doch ziemlich traurigen, melancholischen Texte schaut und sich vergegenwärtigt, wieviel Einsamkeit, Entfremdung und Enttäuschung darin mitschwingt. Reis und Ernst singen mit viel Humor und manchmal auch gehöriger Wut gegen ihre eigenen Dämonen an, die Freude, daß ihnen ein ausverkaufter Saal freudestrahlend dabei folgt, wirkt ehrlich und auch ein Stück weit erleichtert. Gemeinsam ist man ja bekanntlich weniger allein.

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