Montag, 12. Juni 2017

The Drums: Teen Years After

Am Freitag ist es endlich soweit, dann nämlich erscheint das neue Album der New Yorker Kapelle The Drums. Nun gibt es nicht wenige, die auf diesen Hinweis mit der Gegenfrage antworten, wieso denn das ein Grund zur Freude sei, sie hätten doch schon eines. Wir wissen natürlich, daß es sich hierbei nur um die nicht eben seltene Häufung von Arroganz, Ignoranz und Schwerhörigkeit handeln kann, denn zu behaupten, eine Platte der mittlerweile zum Ein-Mann-Projekt geschrumpften Band klinge wie die andere, ist eine böswillige Unterstellung. Und ist doch so selten nicht – schon der eigentlich recht geschmackssichere Journalist Jan Wigger verschrieb sich 2011 in seiner SpOn-Kolumne „Abgehört“ zum zweiten Werk „Portamento“ wie folgt: „Dengel-dengel-dengel-brumm-brumm-dengel-dengel-dengel-ahahaha-uhuhuhu-dengel-dengel-boing-schrumm-schrumm-ahahaha-uhuhuhu-ohohoho-dengel-dengel-dengel-jaul-jaul-jaul-dengel-dengel-dengel-boing“ und halbierte die maximal erreichbare Punktzahl auf gnädige fünf Zähler. Klingt vielleicht ganz amüsant, geht aber trotzdem am Thema vorbei, denn Jonathan Pierce, Sänger, Gründer, schillerndes Aushängeschild und grundsympathischer Wortführer der Band, darf sehr wohl auf eine Änderung des Sounds zugunsten vielfacher Einflüsse pochen. Wenn überhaupt, läßt sich vielleicht am Vorgänger „Encyclopedia“ etwas herumkritteln, dem aktuellen Album aber fehlt es nicht an überraschenden Wendungen und Kniffen. Wieso „schwierige Kindheit“ hier mehr als ein Schlagwort ist, was die Liebe so verzwickt macht und wie politisch sich die Neue ausnimmt –Fragen an einen überaus charrmanten und entspannten Gesprächspartner.

Freunde, denen ich von dem Interview mit Dir erzählt habe, meinten: „Oh, The Drums, ist das nicht die Band mit dem smarten, blonden Sänger, der nicht erwachsen werden will?“ Ja, ich weiß – falsche Freunde. Aber wie gehst Du mit solchen Vorurteilen um?
Nun, es war schon früh in meiner Kindheit klar, dass ich schwul bin und sein werde, meine Eltern waren allerdings beide Mitglieder in einer freikirchlichen Pfingstbewegung und haben deshalb versucht, meine Sexualität in speziellen Sessions durch Gebete zu ändern, also die „Verirrung“ quasi auszutreiben. Ich hatte zudem keinerlei Erfahrungen mit anderen Kindern, die so waren wie ich, war in keiner Schule, sondern bin privat unterrichtet worden. Und das war eine sehr, sehr strenge Erziehung durch lauter Leute, die im Grunde ihres Herzens Homosexualität richtiggehend hassen. Das ist zwar Jahre her, aber was passiert, wenn du schon als Kind erfährst, dass du nicht so sein kannst wie du bist und willst? Du beginnst so zu tun, als wärest du jemand anderes, nur um klarzukommen und nicht durchzudrehen. Und das fühlt sich dann eben so an, als hätte jemand die „Pause“-Taste gedrückt. Erst mit Mitte zwanzig, als ich nach New York gekommen bin, habe ich herausgefunden, wer ich wirklich bin und dass es viele Menschen gibt, die mich lieben und mich unterstützen. Erst von diesem Zeitpunkt an kenne ich mein wahres Ich und genau diese Verzögerung ist dann der Grund, warum ich mich immer zehn Jahre jünger fühle als ich wirklich bin. Deshalb klingen auch viele meiner früheren Songs sehr teenagerhaft, einfach weil es lange gebraucht hat, bis ich die wahre Liebe entdecken konnte und auch durfte.

Inwiefern spiegelt sich das dann auf der neuen Platte wieder?
Ich habe „Abysmal Thoughts“ ja das erste Mal allein aufgenommen und nicht wie früher mit einer kompletten Band, aber nicht nur deshalb fühlt es sich an wie eine Art Debüt – mir kommt es vor wie ein besonders großes „Fuck You!“ an alle, die mich in meinem Leben vorverurteilt und eingeengt haben. Es gibt diesmal keine Filter, keine Zurückhaltung, ich kann frei über Sex, über Drogen, über alles singen, was ich Schönem, aber auch an schlimmem Dingen erlebt habe. Weißt du, für mich sind Erwachsene einfach nur Kinder in hässlicheren Körpern, und wenn du das weißt, dann kannst du lernen, damit umzugehen. Heute freue ich mich über alle, die meine Musik mögen, und wenn es jemand nicht tut, dann ist das auch in Ordnung.


Ein weiteres Vorurteil: The Drums machen eigentlich immer lustige, luftige Musik. Hört man aber die Songs, gerade auch die neuen, dann sind die oftmals sehr dunkel, melancholisch. Das aktuelle Album beginnt mit „Mirror“ und jeder Menge Selbstzweifel, der Suche nach dem eigenen Ich, auch „Blood Under My Belt“ mit seinen Verweisen auf Tod und die Ursünde ist ziemlich düster. Ist das eine, Deine Herausforderung, diese Kombination aus „light sounds and serious meaning“?
Ich mache eigentlich nichts anderes, seit ich die Band gegründet habe, das passiert einfach so. Schon „Let’s Go Surfing“ [„The Drums“, 2009] klingt zwar sehr leicht und verspielt, aber auch da ging es schon um Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit, solche Dinge. Ich schreibe Songs in der Regel dann, wenn ich traurig bin und für mich klingen sie in dem Moment auch nicht so beschwingt, wie es für den Hörer den Anschein hat. Einfach weil meine Stimmung beim Schreiben ja eine andere ist. Monate später, wenn ich dann wieder reinhöre, denke ich mir auch „Hey, das ist mal entspannt!“, aber der Bezug bleibt halt ein anderer für mich.

Liebesschwüre, Verlust, Kampf – ist Liebe für Dich tatsächlich eine so ernste Sache, wie man es beim Zuhören meint?
Nun, ich lebe jetzt wieder in einer sehr glücklichen Beziehung und alles ist prima, aber ich denke schon, dass wahre Liebe keine einfache Sache ist, einfach auch weil sie so schwer zu finden ist. Und etwas, das man auch behüten, um das man kämpfen, das man verteidigen muss. Natürlich haben wir beide unheimlich schöne Momente miteinander, unternehmen und erleben wir großartige Dinge – aber das sind die wenigen Augenblicke, die man genießen möchte, da setze ich mich dann nicht hin und schreibe ein Lied drüber.

Du hast mal gesagt, Dir ginge es wie vielen anderen Künstlern, in den Momenten, wo es Dir gutginge, würdest Du die furchtbarsten Stücke schreiben, wirklich große Momente gäbe es nur dann, wenn man auch leiden müsste? So gesehen ging es Dir bei „Encyclopedia“ besonders gut und vor „Abysmal Thoughts“ entsprechend schlecht?
[Lacht] … Na ja, „Encyclopedia“ ist schon ein ziemlich verrücktes Album, ich bin zwar dankbar dafür, aber es ist klingt eben auch für mich etwas fremd. Und tatsächlich sind diese Songs in einer Zeit entstanden, in der es mir wirklich gut ging, wo ich mir keine Sorgen um die Zukunft gemacht habe. Später dann kam der Bruch von einem Tag zum anderen und das war für mich schon ein richtiger Schock. Und genau in dem Moment habe ich angefangen, neue Songs zu schreiben, genau deshalb ist das dann auch ein sehr intimes, ein sehr persönliches Album geworden.

„Abysmal Thoughts“ scheint ja beides zu sein, die Rückkehr zu alten Stärken wie beim wunderbaren „Portamento“, aber auch der Aufbruch zu Neuem. Wir hören jetzt diese jazzigen Sounds, Trompeten- und Saxophonparts wie bei „Are U Fucked“ und „Your Tenderness“ – was wolltest Du anders machen als zuvor?
Nun, allein schon der Umstand, dass Jacob [Graham] nicht mehr dabei ist, gibt mir jetzt viele Freiheiten, Dinge zu tun, die vorher nicht möglich waren. Nicht viele wissen, dass ich in meiner Jugend ein sehr großer Fan von Techno, Drum‘n Bass und House war, Roni Size und solche Sachen, und die Jazz- und auch die Drumparts beziehen sich auf diese Zeit. Generell lasse ich die Welt aber eher draußen, wenn ich Songs schreibe, ich ziehe mich zurück und kümmere mich nicht so sehr um andere Dinge und Einflüsse. Ich versuche nicht, nur der Vielfalt wegen vielfältig zu sein, das kommt wie es kommt. Es gibt so viele Bands, die sich selbst unter Druck setzen, weil sie meinen, andauernd etwas Neues ausprobieren zu müssen, ich dagegen bin eher beständig und mache lieber die Dinge, für die ich bekannt bin.

Letzte Frage: Der Albumtitel zum einen, an anderer Stelle singst Du davon, dass Du manchmal Deinen Kopf lieber unter der Bettdecke lassen würdest – gibt es da vielleicht auch politische Bezüge zur derzeitigen Situation in Deinem Heimatland oder ist das eine Fehlinterpretation?
Ich wollte ganz gewiss kein politisches Album oder Statement machen. Ich habe die Songs zu einer Zeit geschrieben, wo Trump noch nicht Präsident war, zudem war ich ziemlich fokussiert, habe eher in mich hineingehört – es ist eher ein introspektives Album. Der einzige Track, von dem ich denke, dass er politisch sein könnte, ist vielleicht „Rich Kids“, der letzte, den ich für das Album geschrieben habe. Es gibt bei uns viele junge Menschen, die ein sehr privilegiertes Leben führen, aber die schwierigen Umstände, mit denen andere Menschen zu kämpfen haben, komplett ignorieren. Das beschäftigt mich sehr und macht mich traurig, auch wenn ich weiß, dass es viele Ausnahmen gibt. Aber der Rest auf der Platte dreht sich tatsächlich nur um mich.

19.09.  Lausanne, Les Docks
21.09.  Hamburg, Reeperbahn Festival
28.09.  Berlin, Lido

"Abysmal Thoughts" erscheint am 16.06. bei ANTI-.

Keine Kommentare: