Montag, 12. März 2018

Peter Kernel: Scheitern als Chance

Peter Kernel
„The Size Of The Night“
(On The Camper Records)

So manchem reicht ja schon der Hinweis „Experimental-Musiker trifft Experimental-Filmerin für gemeinsame Platte“, um dankend abzuwinken, nicht ohne noch hinterherzurufen, daß das ja ohnehin nur etwas für Kopfgesteuerte und Freaks sein könne. Falsch gedacht. Denn obschon Aris Bassetti und Barbara Lehnhoff mit den genannten Professionen (sie Kanada und Film, er Schweiz und Musik) zur Gattung „schräge Vögel“ zu zählen sicher kein Fehler ist, sollte man ihrem neuen Album ruhig ein paar Minuten mehr Gehör schenken und die Vorurteile besser beiseite lassen. Denn tatsächlich mischen die beiden für diese Platte wieder auf höchst reizvolle Weise Psych-, Krautrock und ein bisschen No-Wave miteinander – kerniger Noise, satte Bassgitarren, meistenteils perkussiv arrangiert, das marschiert ganz ordentlich. Sicher gibt es bewusst gesetzte Pausen, Tempowechsel, Flötentöne und auch atonale Einschübe, damit die Stücke nicht zu mediokrem Rockgedudel verkommen und die Spannung halten können.

Aber gerade mit Lehnhoffs wandelbarer Stimme, die von zart bis zornig agiert, entfalten die Songs Schicht um Schicht und Takt um Takt eine bemerkenswerte Kraft. Und das passt bestens zum sehr speziellen Thema des Albums, dessen Ursprung man gern noch einmal zitieren möchte: "Es gibt keine Gebrauchsanweisung, um uns an Fehlern zu hindern, Menschen um uns herum nicht zu verletzen oder auf die vollkommene Art und Weise zu lieben. Wir leben nur. Wir machen es gut und schlecht. Manchmal lernen wir, öfter dagegen nicht und machen einfach Fehler. Wir sind komplex. Wir können uns dumm verhalten und uns verloren fühlen. Wir können einander vermissen, auch wenn wir zusammen sind und nicht miteinander reden“, so eine Feststellung der beiden in den Linernotes. Und aus dieser Unsicherheit, dieser allzu menschlichen Schwäche heraus ergaben sich dann die Stücke: "Mit diesen Songs, diesem Album versuchen wir zu akzeptieren, dass wir sehr sensible Menschen und gleichzeitig Arschlöcher sein können. Und das ist in Ordnung." Und klingt, mit Verlaub, weitaus interessanter als gedacht, im günstigsten Falle reißt es einen sogar mit.

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