Dienstag, 28. März 2017

Goldfrapp: Das beste beider Welten

Goldfrapp
„Silver Eye“
(Mute Records)

Wenn es elementar wird, kommen nicht selten ein paar reichlich bedeutsame Bilder dazu. Erst kürzlich hat Simon Green aka. Bonobo auf seinem wunderbaren Album “Migration” die tiefgreifenden Veränderungen der menschlichen Gesellschaft verhandelt und auf dem Cover brannte prompt ein alttestamentarischer Dornenbusch. Jetzt tut er das wieder, wenn auch in etwas kleinerem Maßstab – einen Strauch in der Hand, die Haare in Flammen, die Künstlerin im Selbstportrait. Über direkte Bezüge zum Wüstenspektakel des altehrwürdigen Mose ist jetzt zwar nichts bekannt, dennoch: Auch Alison Goldfrapp und Will Gregory kümmern sich auf ihrem nunmehr siebten Album ums Große und Ganze, Schlagworte wie Antropomorphismus, Paganismus und Mystik werden ins Spiel gebracht, der Mond, das silberen Auge, übernimmt als Gezeitenlenker eine zentrale Rolle, es geht um den Ursprung, um Sinnsuche und körperliche Erfahrungen, grundsätzliche Dinge also.

Nach der Innerlichkeit des letzten Werkes “Tales Of Us”, in Szene gesetzt mit dunkel dräuendem Akustikfolk, sah es fast so aus, als wäre die Zeit der Maschinen für Goldfrapp passé – so kann man sich täuschen. Passend zum Haupthema der Platte kommt die neue als Fortsetzung einer älteren daher – „Supernatural“ leiht den flackernden Rhymthus, der Vorgänger dagegen Düsternis und Tiefe, „Silver Eye“ ist demnach ein vielgestaltiger Hybrid aus beiden. Die zwei hatten also wieder große Lust auf wummernde, synthetische Klänge – gleich zu Beginn pumpt „Anymore“ einen richtig fetten Beat durch die Membran, sexuelle Anspielungen nicht zu knapp, „Systemagic“ stampft hintendrein und will keine Ruhe geben. Es folgt ein Wogen zwischen mächtigen, sphärischen Soundscapes und präzise pochenden Disconummern. „Become The One“ ist die schönste von ihnen, nebenbei auch Goldfrapps poetisches Statement zur Transgenderdebatte, geht es doch darum, der innersten Bestimmung zu folgen und so letztendlich die endgültige Freiheit zu finden.

Ein weiteres, wunderbares Paar: „Everything Is Never Enough“ mit seinen nadelstichartigen Loops und gleich danach „Moon In Your Mouth“ als hymnisch strahlende Ballade. Auf die Frage übrigens, welches der bisherigen Alben ihr im Vorfeld kein solches Gefühl der Zufriedenheit gegeben hat wie das jetzige, mochte Alison Goldfrapp in einem Interview mit der Plattform Popjustice nicht genauer eingehen, man darf wohl annehmen, daß „Head First“ keine so herausragende Rolle in ihrem persönlichen Ranking spielt. Anders als diese reinen und streckenweise etwas dünnen Tanzplatte gelingt dem aktuellen Werk jedenfalls das Kunststück, zwei grundlegende Quellen ihrer langjährigen Arbeit zu einem beeindruckenden Ganzen zu formen. Ein großer Wurf. Und an die Herren von Depeche Mode vielleicht noch dies (this note’s for you): So klingt er, der zeitgemäße, ernsthafte und handwerklich anspruchsvolle Synthpop – ganz ohne bemühtes Pathos. https://www.goldfrapp.com/

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